wie umgehen mit Zweifeln an Paulus und Lukas ?

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Suchender

-, Männlich

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Re: wie umgehen mit Zweifeln an Paulus und Lukas ?

von Suchender am 11.08.2025 14:07

Danke für deine Antwort, Burgen.

 

Du fragst, ob ich schon lange auf der Suche bin. Ja – seit etwa viereinhalb Jahren.
Aber nicht nach Jesus Christus.
Denn den habe ich längst gefunden.
Ich warte auch nicht darauf, dass er sich mir offenbart – er hat sich mir bereits offenbart, sehr unzweideutig, vor viereinhalb Jahren.
Jesus hat mir den Weg zum Vater geebnet. Ich gehöre bereits zu Gottes Familie.
Der Schuldschein meiner Verfehlungen – auch der zukünftigen – ist durch Christus ans Kreuz genagelt.
Mein Glaube an ihn ist unerschütterlich.

Was also suche ich? Warum nenne ich mich „Suchender"?

Ich suche nicht Christus – ich suche Klarheit über die Schriften, die von ihm erzählen.
Mir ist bewusst, dass die Bibel eine Sammlung geistlicher Werkzeuge ist – aber nicht jedes Werkzeug darin ist geeignet. Die Bibel ist eine vielstimmige Sammlung, und ich bezweifle, dass jede Stimme darin authentisch ist.

Ich spreche hier konkret das Problem der Pseudepigraphien im Neuen Testament an.
Für mich sind Paulus, Lukas, Timotheus und Barnabas nicht glaubwürdig.
Diese Männer tauchen erst nach dem Tod Jesu auf, nennen sich „Apostel", widersprechen sich in ihren Darstellungen, und bezeugen sich ausschließlich selbst – während die ursprünglichen Jünger Jesu sie offenbar gar nicht kannten und keinen Kontakt zu ihnen hatten.

Ich halte diese Männer für eine eingeschworene Clique, für Trittbrettfahrer, für Wichtigtuer ohne göttlichen Auftrag.
Ihre Glaubwürdigkeit war schon in den frühen Gemeinden umstritten – und ich glaube nicht, dass die Christen der ersten Generationen naiv waren.
Ich bin es auch nicht.

Was ich also suche, ist eine Bereinigung des Neuen Testaments – natürlich nur für mich persönlich.
Ich will für mich jene Schriften herausfiltern, die in Darstellung klar, in Autorenschaft gesichert und geistlich glaubwürdig sind.
Ich will die Spreu vom Weizen trennen.

Übrigens: Du schreibst „Vielleicht beginnst du ganz schlicht in dem Buch Jesus zu suchen?" – das habe ich nicht verstanden. Was meinst du mit „Buch Jesus"? Das Neue Testament? Genau darum geht es mir doch. Ich bin mittendrin – und ich nehme es ernst.

Gruß Suchender

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Weateyd

29, Männlich

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Beiträge: 89

Re: wie umgehen mit Zweifeln an Paulus und Lukas ?

von Weateyd am 11.08.2025 10:18

Ich hab mir jetzt auch den Kopf zerbrochen und den Text mehrfach gelesen.

 

Eine Erklärung hab ich nicht. Apg 26 fällt etwas heraus, weil dort der genaue Vorgang anders beschrieben wurde bzw. nicht erwähnt wurde. Daher sehe ich dort keinen Widerspruch. Evtl. ist interessant, das er sich dort vor einem König verteidigt

Auch wenn Apg 9 und Apg 22 etwas widersprüchlich ist: In beiden Fällen wurde Paulus Blind und musste geführt werden (scheint demnach wohl authentisch zu sein). In Apg 9 sogar mehrere Tage. In Apg 22 und 26 ist es nicht erwähnt.
Ich denke, nur Paulus sah ein Licht. Denn wenn das Licht so stark war, dass Paulus vorübergehend Blind wurde, würde ich annehmen, dass auch seine Begleiter Blind werden müssten. Das wäre vermutlich dann auch erwähnt worden?! Das ist aber nur ein Gedanke.
Alle drei Verse sind ja wahrscheinlich von Lukas erzählt worden, nicht von Paulus.

Apg 9 wird noch erzählend von Lukas beschrieben. Apg 22 und 26 offenbar zitierend. Weshalb der Wechsel? Diese zitierende Erzählweise tritt in Apg erst später auf, zu Anfangs immer nur erzählend. Ob es wichtig ist weiß ich nicht, es fiel mir nur auf.

In Apg 9 und 22 wird geschrieben, das Paulus fiel. Ob andere auch fielen, ist nicht erwähnt. Vielleicht taten sie das auch?

Die andere Überlegung ist auch, ob es hier ein Widerspruch ist. Im ersten Fall ist das Geschehnis erzählt worden. Die anderen beiden sind eine Verteidigungsrede. Vielleicht musste Paulus hier etwas verändern, auch wenn es nicht so exakt abgelaufen ist. Oder, falls Lukas eine Art Mitschrift von der Rede hatte und widergegeben hat, ist dort ein Fehler unterlaufen?

Der Kern im ganzen scheint aber bei allen dreien gleich zu sein, wie die anderen schon erwähnt haben. Paulus ist auf übernatürlicherweiße Jesus begegnet. Vielleicht haben auch manche Begleiter etwas gehört, andere nur gesehen? Bei so einem Erlebnis geht es vielleicht auch Durcheinander zu. Was schreibt man nieder? Wer erzählt was?

Ich habe es mal übersichtlich dargestellt:

Aspekt Apg 9,7 Apg 22,9 Apg 26,14
Akt Geschehnis Verteidigungsrede Befehlshaber Verteidigungsrede König Agrippa
Sturz Nur Paulus fiel Nur Paulus fiel Alle stürzten zu Boden
Begleiter hörten Stimme Ja, sie hörten die Stimme Nein, sie hörten die Stimme nicht Nicht erwähnt
Begleiter sehen Nein, sie sahen niemanden Ja, sie sahen das Licht Nicht erwähnt
Reaktion der Begleiter Standen sprachlos da Impliziert: standen da Nicht erwähnt
Paulus wurde blind Ja (V. 8-9) Ja (V. 11) Nicht erwähnt
Paulus wurde geführt Ja (V. 8) Ja (V. 11) Nicht erwähnt

 

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Burgen

-, Weiblich

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Re: wie umgehen mit Zweifeln an Paulus und Lukas ?

von Burgen am 11.08.2025 09:55


Hallöchen, 

vermutlich kennt ihr euch schon? nk und Suchender?  

Und so fragte mich gerade: welche Vorraussetzung sollte jemand 'mitbringen'? um die Bibel, natürlich das ganze dicke heilige Buch, verstehen zu können? 

Mir wird zB 'ganz schwindlig' ;) beim Lesen der obigen Texte. Klar, gibt genügend 'Material' um all die Kausalitäten usw. nachzulesen, nachzulernen und vielleicht sogar verstehen und anwenden oder abschreiben. 

Aber ist das der Sinn um eine Grundlage des Glaubens legen zu sollen oder können? 
Natürlich würde ich das auch alles besser verstehen können und mir der Wahrheit darüber bewusst (er) zu sein oder werden. 

Mein eigenes Glaubensleben hatte damals, ungebildet wie ich war, eine Abneigung gegen Paulus. Hingegen las ich mit Begeisterung das erste Buch der gesamten Bibel und entdeckte ganz viel, welches dann für meine Seele, Verstand und Glauben wichtig wurden. Apokryphen eingeschlossen. 

Wie also umgehen mit Zweifeln an Paulus und Lukas?  ---  Fragt man doch eher so: Was verstehe ich eigentlich und was lerne ich durch genau die Unterschiede im Wort Gottes und warum, wozu gibt es all die Unterschiede der Persönlichkeiten innerhalb des Lesestoffes der Bibel? Hat Gott Vater damit einen bestimmten Zweck, den er erst im zweiten Teil der ganzen Schrift in Jesus auflösen wird? 

Gott Vater - Gott Jesus - Heiliger Geist: drei in eins 
ähnlich: 
Mensch: Körper - Seele, Verstand : toter Geist, jedoch ein Verstand, der um das 'Überleben' kämpft. Und auch versucht, ohne Gott Vater Jesus und Heiligem Geist irgendwie leben will.
Es heißt ja oft:
Ich glaube das, was ich beim Lesen, Hören,  durcharbeiten verstehe. Und versuche dieses im Herzen dann zu bewegen ... sozusagen mit dem glauben zu bewässern. Und dann irgendwann sehen, wie die Glaubenssamen aufgehen werden - vielleicht dann in einem ganz anderen Zusammenhang urplötzlich ein 'Verstehen' wie eine Offenbarung in Herz und Geist sowie Verstand geschenkt wird. 

Ich habe zB zur damaligen Konfirmation zu Jesus "Ja" gesagt. Und Gott Vater hat mich bis heute in Jesus durchgetragen ... und tut immer Neues noch hinzu. Das ist spannend, macht auch froh und dankbar. Selbst wenn die körperliche Kraft durch Alter oder permanente Folgen einer sprichwörtlichen Krankheit, die unterschiedliche Folgen nach sich zieht, - ER verlässt uns, seine Kinder, seine Braut in Jesus nicht. 
Lesen, Beten, Leben - ER ist treu trotz der Torheit eines super schlichten Glaubens sprichwörtlich an seiner Hand, weniger im Verstand des Kopfes eines Menschen. Erst im Rückblick oft, erkennen wir seine Gegenwart - mal nach weniger als 30 Min, mal sofort und manchmal erst nach zeitlich bedingter langer Zeit. 
Er liebt Menschen, das sollten wir alle niemals vergessen ...   




Darum, ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden! 
2.Kor 5,17 (Schl 1995) 

In Ihm leben, weben und sind wir! (als wiedergeborene Christen)  


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nusskeks

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Re: wie umgehen mit Zweifeln an Paulus und Lukas ?

von nusskeks am 11.08.2025 07:54

Gute Antwort, und viel kürzer als meine! Sehr gut. 

gruß
nk

One of Israel

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Cleopatra
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Re: wie umgehen mit Zweifeln an Paulus und Lukas ?

von Cleopatra am 11.08.2025 07:35

Guten Morgen, Suchender, 

kennst du die Interlinearbibel?
Da findest du die tatsächlichen Worte, die damals genutzt wurden, das hilft ganz oft, wenn man Texte genau verstehen möchte, wenn unsere deutsche Gramatik da andere Betonungen in Worten hat. Hier kann man genau nachlesen, welches Wort genutzt wurde und was es jeweils bedeutet.
Alternativ ist da die Bibel mit Sprachschlüssel auch sehr gut.

Ich habe mir jetzt nochmal die drei Beschreibungen durchgelesen, aber keinen Widerspruch gelesen, ich habe die Lutherübersetzung gelesen.
Mal wird eines beschrieben, mal nicht. Klar- das finde ich jetzt nicht so krass.

Ein Beispiel: Letzte Woche habe ich nach 7 Jahren meinen Job in der Hundepension aus gesundheitlichen Gründen beenden müssen. Natürlich habe ich nun schon einigen davon erzählt.
Meinen Freunden erzählte ich von der Überraschungs-Abschieds-Feier, die die Cheffin heimlich organisiert hatte, die mich so sehr gerührt hatte, bei meinen Hundefreunden habe ich noch dazu erzählt, dass einige der Stammkunden dort mich extra haben nochmal von den Hunden verabschieden lassen, anderen erzählte ich in einem anderen Zusammenhang von den Waffeln, die es gab, die ich ja ewig nicht mehr gegessen habe...
Habe ich nun irgendwo gelogen? Oder war es Absicht, wollte ich jemanden absichtlich irritieren oder so?

Nein- es gab einfach unterschiedliche Adressaten und unterschiedliche Schwerpunkte in dem Gespräch.
Und noch etwas: Wenn du mal die ganzen Texte durchliest, bist du meistens in 2-3 Minuten Lesen fertig- Glaubst du wirklich, dass Paulus immer nur 2-3 Minuten geredet hat?
Die Zusammenfassung später muss ja auch nochmal das Wichtigste zusammenfassen, ein wetterbericht wird daher sicher nicht mit aufgeschrieben worden sein- mal spitz formuliert.

Mythos und Philosophie interessiert mich persönlich nicht sehr, dazu kann ich nicht viel sagen. Ich glaube nicht, dass die Bibel da Einfluss mit drin hat, schließlich lehrt gerade Paulus sehr viel Vorsicht zur Irrlehre.

Liebe Grüße, Cleo


Die Bibelverse sollen meine Meinung bilden, nicht begründen
Zitate im Forum, wenn nicht anders vermerkt, aus der rev.Elberfelder

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nusskeks

33, Männlich

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Re: wie umgehen mit Zweifeln an Paulus und Lukas ?

von nusskeks am 11.08.2025 07:31

Fortsetzung...

Zur Kanonfrage: Die Kirche hat die Schriften nicht erfunden, sondern das empfangene apostolische Zeugnis unterschieden und bezeugt. Schon im NT selbst sehen wir das Miteinander der Zeugen (Apg 15; Gal 2). Die späteren Konzilien haben bestätigt, was die Gemeinden weithin schon lasen; sie haben nicht per Mehrheitsbeschluss eine neue Autorität geschaffen. Dass einzelne Schriften (z. B. 2Petr) länger diskutiert wurden, ist kein Zeichen gegen, sondern für die Sorgfalt der frühen Christen. „Klerus statt Gott" trifft nicht, wenn man bedenkt, dass der Kanon nach dem Kriterium apostolischer Herkunft, übereinstimmender Lehre und kirchlicher Rezeption erkannt wurde – nicht nach politischer Nützlichkeit.

Bleibt die Grundfrage nach „Wahrheit vs. literarischer Gestaltung". Die Bibel ist kein steriles Protokoll, aber sie ist darum nicht weniger wahr. Wahrheit in biblischem Sinn heißt: treue, verlässliche Übereinstimmung mit Gottes Reden und Handeln in Raum und Zeit. Unterschiede in Perspektive, Auswahl und Fokus – besonders in Redewiedergaben – sind in der antiken Geschichtsschreibung normal und theologisch funktional, ohne den Kern zu relativieren. Genau dieser Kern ist in allen drei Damaskusberichten identisch: Der auferstandene Jesus begegnet Paulus, offenbart sich, beauftragt ihn – und dieses Ereignis erklärt den radikal veränderten Kurs eines Pharisäers, der Christus zuvor verfolgte.

Ich respektiere, wenn dich das noch nicht sofort überzeugt. Aber ich denke, die binnenskripturale Evidenz (was für ein Wort...) trägt das Gewicht der Einwände: (1) die sprachliche Differenz Genitiv/Akkusativ im Licht von Apg 26,14 (hebräische Sprache), (2) die Kompatibilität der Seh-/Fall-Details durch Fokusverschiebung, (3) die alttestamentliche Theophanie-Matrix (auch so ein Wort...) für Licht/Überwältigung statt bloß hellenistischem Topos, (4) die eigene Bestätigung des Paulus über die Gemeinschaft mit Kephas/ Jakobus (Gal 2,9). Damit verlieren die „strukturellen Widersprüche" ihren Zwangscharakter.

Mein Rat wäre: nicht selektiv „glaubwürdig" vs. „unglaubwürdig" aussortieren, sondern die Texte in ihrer eigenen Gattung, Sprache und heilsgeschichtlichen Logik lesen. Außerdem ist es immer wichtig, sich in die hebräische Kultur der damaligen Zeit einzufühlen. Wer das tut, findet – gerade in der Spannung zwischen verschiedenen Blickwinkeln – eine robuste, tragfähige Wahrheit: Gott hat in Christus gehandelt, und die Zeugen berichten verlässlich davon. Ein Grundvertrauen in die Bibel wäre natürlich auch nicht verkehrt.

gruß
nk

p.s.: Wir sollten uns wirklich kürzer fassen.

One of Israel

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nusskeks

33, Männlich

  fester Bestandteil

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Re: wie umgehen mit Zweifeln an Paulus und Lukas ?

von nusskeks am 11.08.2025 07:25

Hallo Suchender,

meine Antwort jetzt könnte etwas lang werden. Falls dem so ist, teile Deine Reaktion darauf bitte auf, dann kann sich auch meine Antwort beschränken.

Zunächst einmal danke für deine ehrliche und hartnäckige Nachfrage. Ich nehme deine Bedenken ernst – gerade, weil Vertrauen hier nicht „gegen den Verstand", sondern mit Herz und Verstand gesucht wird.

Zuerst zur vermeintlichen Gegensatzformel „hörten die Stimme / hörten die Stimme nicht". In Apg 9,7 steht: „... ἀκούοντες μὲν τῆς φωνῆς, μηδένα δὲ θεωροῦντες" (akúontes men tēs phōnēs – Genitiv). In Apg 22,9 heißt es: „... τὴν δὲ φωνὴν οὐκ ἤκουσαν τοῦ λαλοῦντός μοι" (tēn de phōnēn ouk ḗkousan tou lalountos moi – Akkusativ). Der Wechsel ist nicht Kosmetik: In der Koine bezeichnet ἀκούω (akoúō) mit Genitiv oft das Hören eines Lautes/Geräusches, mit Akkusativ hingegen das Erfassen der Stimme als sprachlich-inhaltliche Rede. Entscheidend ist, dass Lukas uns in Apg 26,14 die fehlende Verständlichkeit zusätzlich erklärt: Die Stimme sprach „τῇ Ἑβραΐδι διαλέκτῳ" (tē Hebraïdi dialektō – „in hebräischer Sprache"). Das schafft eine schlichte, kontextinterne Auflösung: Die Begleiter hörten etwas (Apg 9,7 – Genitiv), sahen aber niemand; sie verstanden die an Paulus gerichtete Rede nicht (Apg 22,9 – Akkusativ), weil sie (anders als Paulus) die hebräische Ansprache nicht erfassten. Dass Lukas ausdrücklich die hebräische Sprache erwähnt, ist für genau diesen Punkt der Schlüssel – und macht klar, warum dieselbe Szene aus unterschiedlichen Blickwinkeln (Erzählerbericht / Paulus-Rede) verschieden formuliert sein kann, ohne sich zu widersprechen.

Zum „Licht sehen / nichts sehen": Apg 22,9 sagt, die Begleiter sahen das Licht, Apg 9,7, sie sahen niemanden. Das ist kompatibel: Sie nahmen die Erscheinung (Licht) wahr, ohne eine Person zu sehen. Ebenso „fiel ich zu Boden" (Apg 22,7) vs. „wir alle fielen" (Apg 26,14): 9 und 22 fokussieren Paulus, 26 erweitert den Blick auf die Gruppe; das ist selektive, nicht kontradiktorische Erzählökonomie.

Die Frage, warum Paulus die zeitweilige Blindheit in seinen Briefen nicht erwähnt, ist verständlich. Aber seine Briefe sind Gelegenheitsbriefe – keine Autobiografie. Wo er sein Damaskuserlebnis ins Spiel bringt, tut er es zweckbezogen: „...es gefiel Gott, seinen Sohn in mir zu offenbaren" (Gal 1,15–16), „habe ich nicht Jesus, unseren Herrn, gesehen?" (1Kor 9,1), „der himmlischen Erscheinung war ich nicht ungehorsam" (Apg 26,19 – in eigener Rede). Die Blindheit ist für Lukas theologisch sprechend (vom Blind-Sein zum Sehen), für Paulus' jeweilige Argumentation aber nicht notwendig. Ein Argument ex silentio bleibt schwach – gerade, weil Paulus auch viele andere Details aus Apg nicht (noch einmal) schildert.

Zum Einwand „hellenistische Topoi (Licht → Blindheit → Erkenntnis) = literarische Konstruktion": Dass ein Motiv kulturell anschlussfähig ist, macht ein Ereignis nicht unecht. Wichtig ist zudem: Die Formgebung der Damaskuserzählung ist innerbiblisch tief verankert – weniger im griechischen Mythos als in jüdischer Theophanie-Sprache. Denke an Daniel 10,7: „Die Männer, die mit mir waren, sahen die Erscheinung nicht, doch ein großer Schrecken fiel auf sie..." (hebr.: hā'ănāšīm... lōʾ rāʾû, LXX: „οἱ ἄνδρες... οὐκ εἶδον τὴν ὅρασιν"). Oder an Hesekiel 1 (überwältigender Glanz), Habakuk 3,4 („Glanz [hebr. קָרֶן qāren] wie das Licht"), 2Mo 34 (Moses Angesicht strahlt), Apg 26,13–14 („Licht heller als die Sonne", hebräische Ansprache). Das Muster „Herrlichkeit = Licht = Überwältigung der Sinne" ist alttestamentlich. Lukas beschreibt nicht ein „griechisches Drehbuch", sondern eine Christus-Theophanie in Kategorien jüdischer Offenbarung.

„Nur ein Autor, kein Zeugenplural" – das greift zu kurz. Lukas schreibt als Historiker und Kompilator und lässt Paulus selbst zweimal reden (Apg 22; 26). Außerdem führt er Ananias als zweiten Augenzeugen ein (Apg 9,10–17; 22,12–16). Dass ein Autor mehrere Reden eines Zeitzeugen zusammenstellt, entkräftet nicht die Zeugenschaft; es zeigt, dass ein und derselbe Zeuge seine Geschichte kontextsensibel erzählt (vor Juden in Jerusalem; vor Agrippa; im narrativen Bericht). So funktionierte antike Historiografie regelmäßig – und Lukas sagt selbst, er habe „allem von Anfang an genau nachgegangen" (Lk 1,3).

Zur behaupteten „Gemeinschaft mit den Jüngern, die nie bestätigt wird": Paulus schildert ausdrücklich seine Begegnung mit Kephas und Jakobus (Gal 1,18–19) und berichtet, dass Jakobus, Kephas und Johannes ihm und Barnabas „die rechte Hand der Gemeinschaft gaben" (Gal 2,9; griech. „δεξιὰς ἔδωκαν... κοινωνίας", dexiàs édōkan... koinōnías). Das ist nicht Lukas, sondern Paulus selbst – und es ist genau die Bestätigung, nach der gefragt wird.

Puh...es wird echt lang....

Zum Vorwurf „Paulus grenzt Homosexuelle aus, Jesus schweigt": Jesus bindet die Sexualethik an die Schöpfungsordnung („männlich und weiblich", 1Mo 1–2) und nennt als moralisch verwerflich zusammengefasst πορνεία (porneía, „Unzucht" – Mt 19,4–6; Mk 7,21–23). Paulus steht nicht quer zu Jesus, sondern entfaltet dieselbe Tora-basierte Ethik im Heidenkontext. In 1Kor 6,9–11 nennt er u. a. ἀρσενοκοῖται (arsenokoîtai) – ein Lehnwort aus der LXX-Formulierung von Lev 20,13 (διὰ „ἄρσενος κοίτην"), also direkte Rückbindung an die Tora. Wichtig ist der Zielsatz: „Und solches sind etliche von euch gewesen; aber ihr seid gewaschen..." (1Kor 6,11). Das ist kein „Ausgrenzen der Person", sondern eine Einladung zur Umkehr – so wie gegenüber allen genannten Sünden. Das Neue Testament verfolgt konsequent das Doppelziel von Wahrheit und Gnade.

Ich mache mal hier einen Cut und fahre in einem weiteren Beitrag fort....

One of Israel

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Burgen

-, Weiblich

  Urgestein

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Re: wie umgehen mit Zweifeln an Paulus und Lukas ?

von Burgen am 11.08.2025 01:33


Hallo Suchender,  

Willkommen hier unter uns.  

Die Bibel ist älter als alte Geschichten oder historische Berichte gebildeter Männer der Vergangenheit. Will sagen, die ganze Bibel, also der hebräisch geschriebener Teil des Buches, sowie der griechisch geschriebener zweiter Teil, gehören zusammen. 
dazwischen liegen allerdings 450 Jahre. 

Die literarischen Besonderheiten usw. ? Es ist in erster Linie ein Glaubensbuch, von Gott selbst durch unterschiedliche Menschen geschrieben. Und immer wieder kann jeder Mensch neue Erkenntnisse daraus gewinnen. Jedoch teilt sich Gott selbst darin mit - wie er seine Welt - sein Reich - Gottes geschaffen hat und versteht. 

Glaube Jesus Christus - Christus allein. Jesus kann und wird aufgrund eines Gebetes zB durch Lesen der guten Botschaft im Wort selbst sich offenbaren. Je enger die Beziehung zwischen glaubendem Menschen ist, desto öfter spricht er sogar 'hörend' in das Herz des Menschen hinein. 

Vielleicht beginnst du ganz schlicht in dem Buch Jesus zu suchen? 

Literatur des Humanismus, oder sogar vor dem Mittelalter, - kann interessant zu lesen sein wenn man sich damit gerne beschäftigt. Die Heilige Schrift schenkt ganz neue, Einsichten usw. 
Fremde Völker lernen zB durch die wertvolle Übersetzungsarbeit in ihre eigene Sprache Lesen und Schreiben und natürlich Jesus kennen. Wut ist eher hinderlich und versperrt den Blick. 

Hebräisch und Chinesisch sind 'Uralte' Schriftsprachen und werden beise von re nach links geschrieben. Griechisch hingegen zeugt von Klarheit und Genauigkeit der Sprache. 
Lukas war Arzt, Matthäus,(manche halten ihn für den oder einen Zöllner) Johannes und Jakobus wie auch Petrus waren Fischer. Sie alle erfuhren die geistliche Wiedergeburt durch den Heiligen Geist - nachzulesen in der Geschichte der ersten Apostel.
Paulus war zunächst als Saulus und sehr gebildeter Pharisäer unterwegs und verfolgte Juden und Christen. Bis zu seiner Neugeburt.
Und er wurde fast blind, konnte nur in sehr großer Schrift  schreiben und lesen.

Die Erzählungen im AT gehören dann auch bis heute zu den Kernaussagen durch Prosa und andere Literaturgattungen meist eben mit Jesus verbunden bis heute für das Glaubensleben unverzichtbar.  

Der Römerbrief ist ein wunderbarer Lehrbrief, eben an die Römer, einer kleinen ihm noch erst unbekannten Gemeinde. 
Und so hat jedes der 66 Bücher innerhalb der Bibel ganz besondere Schwerpunkte wie auch Trost, Gehorsam, Frieden - und Jesus immer ähnlicher werdend weil, wenn wir aus Glauben ihn im Glauben anbeten, danken usw. 

Bist du schon lange auf der Suche? 


Gruß 
Burgen  




Darum, ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden! 
2.Kor 5,17 (Schl 1995) 

In Ihm leben, weben und sind wir! (als wiedergeborene Christen)  


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Suchender

-, Männlich

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Re: wie umgehen mit Zweifeln an Paulus und Lukas ?

von Suchender am 10.08.2025 22:50

Lieber nusskeks,

danke für deine erneute Antwort – ich erkenne deine Sorgfalt in der Argumentation. Dennoch bleiben für mich zentrale Punkte offen:

Die grammatikalische Differenz zwischen Genitiv und Akkusativ mag eine Deutung ermöglichen, aber sie löst den Widerspruch nicht vollständig auf. In Apg 22,9 heißt es ausdrücklich, dass die Begleiter „die Stimme dessen, der mit mir sprach, nicht hörten" – das klingt nicht nach „sie hörten etwas, verstanden es aber nicht", sondern nach gar nichts gehört.

Dass Paulus die Blindheit nirgends erwähnt, obwohl Lukas sie als zentrales Element inszeniert, bleibt auffällig – gerade weil Lukas und Paulus Weggefährten waren.

Die Berufungserzählung enthält nicht nur dramatische Elemente, sondern theologisch aufgeladene Motive, die in der hellenistischen Literatur weit verbreitet sind. Das wirft Fragen auf zur literarischen Konstruktion und zur historischen Verlässlichkeit.

Dass Lukas drei Versionen desselben Ereignisses schreibt, ist keineswegs ein Zeichen redaktioneller Sorgfalt !  
Sondern vielmehr ein Hinweis auf literarische Inszenierung – zumal die Unterschiede nicht marginal, sondern strukturell widersprüchlich sind.

Edit:

Zur Aussage „Die Bibel versteht sich selbst nicht als sterile Chronik, sondern als von Gott inspirierte Wahrheit (2. Tim 3,16), vermittelt durch verschiedene Zeugen" möchte ich anmerken:

Gerade im Fall der dreifachen Damaskuserzählung handelt es sich nicht um verschiedene Zeugen, sondern um einen einzigen Autor – Lukas, der drei sich widersprechende Versionen desselben Ereignisses überliefert. Das ist kein Zeugnisplural, sondern ein literarisches Problem, mithin ein Problem der Glaubwürdigkeit.

Zudem bin ich zunehmend skeptisch, ob ausgerechnet Gestalten wie Paulus, Lukas, Timotheus oder Barnabas – also Männer, die Freunde/ Kumpels/ Weggefährten waren, die erst auftraten, nachdem Jesus nicht mehr lebte – tatsächlich „von Gott inspirierte Wahrheit" vermitteln, wenn sie:

widersprüchliche Geschichten schreiben,

eine „Gemeinschaft mit den Jüngern" behaupten, die von den Jüngern selbst nie bestätigt wird,

Homosexuelle ausgrenzen (Paulus), obwohl ds für Jesus nie ein Thema war,

und Berufungserzählungen wie die des Paulus offenbar aus hellenistischer Literatur übernehmen (Lukas: Licht, Blindheit, Erkenntnis).

Die Schriften dieser Autoren wurden in den ersten Jahrhunderten kontrovers diskutiert und fanden erst durch kirchliche Konzilsentscheidungen Eingang in den Kanon.

Das war eine Entscheidung des Klerus – nicht zwingend ein Ausdruck göttlicher Zustimmung !

Ob Jesus selbst mit dieser Auswahl glücklich wäre, steht auf einem anderen Blatt. Niemand weiß das.

Ergänzend zum Zitat:

„Zweitens spricht nichts dagegen, dass Gott ein Ereignis so gestaltet, dass es kulturell verständlich ist. Lukas könnte das Paulus-Erlebnis realistisch berichten, und gleichzeitig erkennen seine Leser die symbolische Bedeutung: Blind für die alte Sicht, sehend für Christus."

Dass Gott ein Ereignis an ein hellenistisches Drehbuch bzw. an ein weit verbreitetes griechisches Literaturmotiv anlehnt, halte ich für sehr weit hergeholt. Denn mit demselben Argument könnte man auch eine Erzählung über Thor oder Zeus als göttliche Wahrheit vertreten – solange sie kulturell anschlussfähig ist. Das öffnet Tür und Tor für jede mythologische Konstruktion, solange sie symbolisch deutbar bleibt. Aber Symbolik ersetzt keine historische Plausibilität.

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nusskeks

33, Männlich

  fester Bestandteil

Beiträge: 506

Re: wie umgehen mit Zweifeln an Paulus und Lukas ?

von nusskeks am 10.08.2025 21:51

Hoi Suchender,

danke für deine Rückmeldung – ich finde es gut, dass du nicht vorschnell zufrieden bist, sondern die Texte genau prüfst.


1. Genitiv und Akkusativ
In Apg 9,7 steht im Griechischen: ἀκούοντες μὲν τῆς φωνῆς – Genitiv; in Apg 22,9 dagegen: τὴν δὲ φωνὴν οὐκ ἤκουσαν – Akkusativ.
Diese Unterscheidung ist im Neuen Testament nicht willkürlich: Der Genitiv wird häufig verwendet, wenn das Hören den Laut betrifft, ohne dass der Inhalt verstanden wird (vgl. Joh 3,8; Offb 3,20), der Akkusativ dagegen, wenn das Hören den Inhalt erfasst (vgl. Joh 5,25).
Das erklärt, wie Lukas dieselbe Szene unterschiedlich formulieren kann, ohne dass sich die Aussagen widersprechen: Die Begleiter hörten den Laut (Apg 9), verstanden aber die Worte nicht (Apg 22).

2. „Zentrales Element" oder „Nebendetail"?
Ich verstehe, dass du die Punkte nicht als Nebensache empfindest. Historisch betrachtet ist aber der Kern der Berufungserzählung in allen drei Berichten derselbe: Paulus begegnet dem auferstandenen Jesus Christus, fällt zu Boden, hört eine Stimme, erhält einen Auftrag. Licht und Blindheit sind zwar wichtige dramatische Elemente, aber nicht der entscheidende Punkt der Berufung – der liegt in der Offenbarung Christi.

3. Warum erwähnt Paulus selbst die Blindheit nicht?
Paulus schreibt seine Briefe in sehr konkreten, oft seelsorgerlich- oder lehrbezogenen Zusammenhängen. Er erzählt seine Bekehrung nirgends in vollem Detail, weder in Gal 1 noch Phil 3 noch 1. Tim 1. Dass er die Blindheit nicht erwähnt, heißt nicht, dass sie nicht geschah – er lässt einfach das aus, was für seine jeweilige Argumentation nicht nötig ist.

4. Literarische Topoi
Ja, das Motiv „blendendes Licht → Blindheit → Erkenntnis" gibt es in der hellenistischen Literatur. Aber zwei Dinge sind wichtig:

-> Erstens schließt ein bekanntes Motiv nicht aus, dass ein reales Ereignis diesen Ablauf hatte. Ähnliche Elemente finden sich z. B. auch in der Geschichtsschreibung von Josephus, ohne dass er deshalb Märchen erzählt.

-> Zweitens spricht nichts dagegen, dass Gott ein Ereignis so gestaltet, dass es kulturell verständlich ist. Lukas könnte das Paulus-Erlebnis realistisch berichten, und gleichzeitig erkennen seine Leser die symbolische Bedeutung: Blind für die alte Sicht, sehend für Christus.

5. Vertrauen in Lukas
Dass Lukas drei Fassungen bringt, ist kein Indiz für literarische Erfindung, sondern für redaktionelle Sorgfalt: Er zeigt, wie Paulus seine Berufung jeweils vor unterschiedlichen Zuhörern schildert. Das ist historisch plausibel – und entspricht dem, was wir auch heute kennen: dieselbe Geschichte, an unterschiedliche Hörerschaften angepasst.

Ich denke daher, wir haben es weder mit absichtlicher Geschichtskonstruktion noch mit einer unzuverlässigen Quelle zu tun, sondern mit einem inspirierten Autor, der Gottes Handeln in einer Weise beschreibt, die sowohl historisch verankert als auch theologisch tief ist.

gruß
nk

One of Israel

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