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Suchender

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Re: wie umgehen mit Zweifeln an Paulus und Lukas ?

von Suchender am 10.08.2025 22:50

Lieber nusskeks,

danke für deine erneute Antwort – ich erkenne deine Sorgfalt in der Argumentation. Dennoch bleiben für mich zentrale Punkte offen:

Die grammatikalische Differenz zwischen Genitiv und Akkusativ mag eine Deutung ermöglichen, aber sie löst den Widerspruch nicht vollständig auf. In Apg 22,9 heißt es ausdrücklich, dass die Begleiter „die Stimme dessen, der mit mir sprach, nicht hörten" – das klingt nicht nach „sie hörten etwas, verstanden es aber nicht", sondern nach gar nichts gehört.

Dass Paulus die Blindheit nirgends erwähnt, obwohl Lukas sie als zentrales Element inszeniert, bleibt auffällig – gerade weil Lukas und Paulus Weggefährten waren.

Die Berufungserzählung enthält nicht nur dramatische Elemente, sondern theologisch aufgeladene Motive, die in der hellenistischen Literatur weit verbreitet sind. Das wirft Fragen auf zur literarischen Konstruktion und zur historischen Verlässlichkeit.

Dass Lukas drei Versionen desselben Ereignisses schreibt, ist keineswegs ein Zeichen redaktioneller Sorgfalt !  
Sondern vielmehr ein Hinweis auf literarische Inszenierung – zumal die Unterschiede nicht marginal, sondern strukturell widersprüchlich sind.

Edit:

Zur Aussage „Die Bibel versteht sich selbst nicht als sterile Chronik, sondern als von Gott inspirierte Wahrheit (2. Tim 3,16), vermittelt durch verschiedene Zeugen" möchte ich anmerken:

Gerade im Fall der dreifachen Damaskuserzählung handelt es sich nicht um verschiedene Zeugen, sondern um einen einzigen Autor – Lukas, der drei sich widersprechende Versionen desselben Ereignisses überliefert. Das ist kein Zeugnisplural, sondern ein literarisches Problem, mithin ein Problem der Glaubwürdigkeit.

Zudem bin ich zunehmend skeptisch, ob ausgerechnet Gestalten wie Paulus, Lukas, Timotheus oder Barnabas – also Männer, die Freunde/ Kumpels/ Weggefährten waren, die erst auftraten, nachdem Jesus nicht mehr lebte – tatsächlich „von Gott inspirierte Wahrheit" vermitteln, wenn sie:

widersprüchliche Geschichten schreiben,

eine „Gemeinschaft mit den Jüngern" behaupten, die von den Jüngern selbst nie bestätigt wird,

Homosexuelle ausgrenzen (Paulus), obwohl ds für Jesus nie ein Thema war,

und Berufungserzählungen wie die des Paulus offenbar aus hellenistischer Literatur übernehmen (Lukas: Licht, Blindheit, Erkenntnis).

Die Schriften dieser Autoren wurden in den ersten Jahrhunderten kontrovers diskutiert und fanden erst durch kirchliche Konzilsentscheidungen Eingang in den Kanon.

Das war eine Entscheidung des Klerus – nicht zwingend ein Ausdruck göttlicher Zustimmung !

Ob Jesus selbst mit dieser Auswahl glücklich wäre, steht auf einem anderen Blatt. Niemand weiß das.

Ergänzend zum Zitat:

„Zweitens spricht nichts dagegen, dass Gott ein Ereignis so gestaltet, dass es kulturell verständlich ist. Lukas könnte das Paulus-Erlebnis realistisch berichten, und gleichzeitig erkennen seine Leser die symbolische Bedeutung: Blind für die alte Sicht, sehend für Christus."

Dass Gott ein Ereignis an ein hellenistisches Drehbuch bzw. an ein weit verbreitetes griechisches Literaturmotiv anlehnt, halte ich für sehr weit hergeholt. Denn mit demselben Argument könnte man auch eine Erzählung über Thor oder Zeus als göttliche Wahrheit vertreten – solange sie kulturell anschlussfähig ist. Das öffnet Tür und Tor für jede mythologische Konstruktion, solange sie symbolisch deutbar bleibt. Aber Symbolik ersetzt keine historische Plausibilität.

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Suchender

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Re: wie umgehen mit Zweifeln an Paulus und Lukas ?

von Suchender am 10.08.2025 21:01

Lieber nusskeks,

 

danke für deine ausführliche Antwort – ich schätze deinen Versuch, die Differenzen in den Damaskusberichten sprachlich zu erklären. Doch ich finde die Argumentation nicht überzeugend.

In Apg 9,7 heißt es, die Begleiter „hörten die Stimme", in Apg 22,9 dagegen „hörten die Stimme nicht". Die grammatikalische Differenz zwischen Genitiv und Akkusativ mag auf unterschiedliche Nuancen hinweisen, aber Apg 22,9 spricht ausdrücklich davon, dass sie die Stimme dessen, der mit mir redete, nicht hörten – das lässt kaum Raum für die Interpretation, sie hätten zwar etwas gehört, aber nicht verstanden. Es wirkt vielmehr wie ein klarer Widerspruch.

Auch die Aussage „Kleine Unterschiede in Nebendetails mindern nicht den Wahrheitsgehalt der Botschaft" greift hier zu kurz. Es handelt sich nicht um Nebensätze oder Randnotizen, sondern um zentrale Elemente einer Berufungserzählung – und alle drei Versionen stammen von ein und demselben Autor, Lukas. Ein sachlicher Grund für die Abweichungen ist nicht erkennbar.

Dazu kommen weitere irritierende Punkte, die mich beschäftigen:

Warum erwähnt Paulus selbst in seinen Briefen nie eine Erblindung – obwohl Lukas sie als zentrales Element inszeniert?

Wie erklärst du die auffälligen Parallelen der Apostelgeschichte zu hellenistischen Berufungserzählungen, etwa das Motiv „blendendes Licht → Blindheit → Erkenntnis", das in antiker Literatur (Platon, Sophokles, Orphiker etc.) häufig vorkommt?

Könnte es sein, dass Lukas hier literarische Topoi verwendet, um Paulus' Berufung als übernatürlich zu inszenieren – und dabei historische Genauigkeit zugunsten theologischer Dramaturgie zurückstellt?

Ich frage mich, ob wir hier nicht eher eine literarisch gestaltete Erzählung als eine historische Darstellung vor uns haben. Und wenn das so ist – wie können wir dann mit Vertrauen auf die übrigen Berichte desselben Autors blicken?

Ich freue mich auf deine Gedanken dazu.

Gruß Suchender

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Suchender

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wie umgehen mit Zweifeln an Paulus und Lukas ?

von Suchender am 10.08.2025 15:13

Liebe Christinnen und Christen,

da ist etwas, das mich seit Monaten beschäftigt :

Der Gedanke von Dr. Eugen Drewermann, das Alte Testament als „wahres Märchen" zu begreifen, hat mir einen inneren Zugang zu den alten Texten eröffnet – jenseits historischer Genauigkeit, aber voller geistiger Wahrheit.
Doch dieser befreiende Zugang hat zugleich eine Vertrauenskrise gegenüber dem Neuen Testament ausgelöst.
Die dreifache Erzählung von Paulus' Damaskuserlebnis in der Apostelgeschichte (Kapitel 9, 22 und 26) irritiert mich zutiefst. Ich verstehe, dass Lukas diese Berichte für unterschiedliche Gemeinden – etwa in Ephesus, Rom oder Galatien – kontextuell angepasst haben mag.

Doch die Widersprüche in zentralen Details erschüttern mich:
Mal hören die Begleiter die Stimme, mal nicht; mal sehen sie Licht, mal nichts. Paulus erscheint mal als einziger Betroffener, mal nicht.
Ich muss es klar benennen:
Mindestens zwei dieser Darstellungen können nicht der Wahrheit entsprechen. Und ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier literarische Dramaturgie über Wahrhaftigkeit gestellt wurde.
Ich erwarte keine sterile Faktenberichterstattung, aber ich sehne mich nach redlichem Umgang mit Ursprung, Intention und theologischer Botschaft. Wahrheit ist für mich untrennbar mit Vertrauen verbunden.

Das Sprichwort „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht" bekommt plötzlich Gewicht für meine Betrachtung des gesamten Lukasevangeliums :
Wenn der Autor bereit ist, an solch zentraler Stelle die Wahrheit zu beugen – sei es aus theologischer Absicht oder rhetorischem Kalkül –, wie kann ich dann noch mit ungebrochenem Vertrauen seine Schilderungen über Jesu Leben, Wirken und Auferstehung lesen?
Besonders irritierend ist, dass nur Lukas von einer angeblichen Erblindung des Paulus berichtet – Paulus selbst erwähnt diese in seinen Briefen nicht.

Diese Erzählung scheint vielmehr einem literarischen Topos der hellenistischen Welt zu entstammen:
Das Motiv „blendendes Licht → Blindheit → Erkenntnis" begegnet uns in Mythos, Philosophie und Mysterienliteratur immer wieder:

Tiresias wird geblendet und erhält dafür die Gabe der Weissagung.

Ödipus blendet sich selbst – und gewinnt tiefes Verständnis für Schuld und menschliches Los.

Sophokles' Antigone zeigt Blindheit als Strafe und zugleich als Vorstufe zur Selbsterkenntnis.

Platon lässt in der Politeia einen Gefangenen aus der Höhle ins Licht treten – zunächst geblendet, dann erkenntnisfähig.

Homer, der mythisch blinde Dichter, steht für innere Schau jenseits der sinnlichen Wahrnehmung.

Orphiker und Neuplatoniker beschreiben die Seele, die durch göttliches Licht geblendet wird, um zur höchsten Einsicht zu gelangen.

Römische Mysteriendichtung kennt die rituelle Dunkelheit vor der Erleuchtung.

Und nun Lukas?
Für mich wirkt es, als bediene er sich bewusst dieses literarischen Musters, um Paulus' Berufung als übernatürliche Offenbarung zu inszenieren.
Je intensiver ich mich mit Paulus und Lukas beschäftige, desto mehr verborgene Widersprüche und irritierende Details treten zutage. Etwa, dass Paulus stets sein eigener Zeuge ist – und von einer „Hand zur Gemeinschaft" mit den Jüngern Jesu berichtet, während diese ihn mit keinem Wort erwähnen.
(Die Stelle im 2. Petrusbrief (Kap. 3, V. 15–16) ist dabei irrelevant, da der Brief erst im zweiten Jahrhundert von einem unbekannten Autor verfasst wurde.)

Ich bin – posthum – wütend auf Paulus und Lukas. Es fühlt sich an, als würden beide meinen Verstand beleidigen.
Denn ich suche die unverfälschte Wahrheit. Ich will glauben können, ohne in jeder Erzählung nach Ausschmückungen, versteckten Absichten oder stilistischen Manipulationen suchen zu müssen. Die Schrift sollte ein Fundament des Vertrauens sein – kein Rätselspiel.
Meine Frage an euch lautet daher:

Wie kann ich mit dieser Vertrauenskrise gegenüber der Wahrheit des Neuen Testaments umgehen?
Läge die Lösung darin, das Neue Testament selektiv zu lesen – also nur jene Texte, die innerlich kohärent und glaubwürdig erscheinen und deren Autorenschaft gesichert ist?
Dann allerdings fielen sämtliche Paulusbriefe, das Lukasevangelium, die Apostelgeschichte und weitere Schriften (etwa der zweite Petrusbrief) weg ...

Ich danke euch im Voraus für eure Gedanken

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