Impulse
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Re: Impulse
von nusskeks am 07.06.2025 10:52Psalm 116,15 – „Kostbar ist in den Augen des HERRN der Tod seiner Getreuen"
Manchmal trifft uns der Tod mitten ins Herz. Besonders dann, wenn ein Mensch stirbt, der Gott liebte, der anderen diente, der noch „so viel zu geben" hatte. Es bleibt ein Riss zurück, ein Verstummen. Und mitten hinein spricht dieses stille, einfache Wort:
„Kostbar ist in den Augen des HERRN der Tod seiner Getreuen."
Kostbar – das klingt fast widersprüchlich. Wie kann etwas so Schmerzhaftes, so Endgültiges, kostbar sein? Wir erleben Tod als Verlust, als Bruch. Aber Gottes Blick ist anders. Er sieht den ganzen Weg. Er sieht das Ziel. Und was für uns wie eine plötzliche Dunkelheit wirkt, ist für ihn oft ein Heimkommen in das volle Licht.
Wer in der Treue stirbt – stirbt nicht zufällig. Nicht übersehen. Nicht einfach zu früh. Sondern in den Augen Gottes kostbar, gewollt beachtet, gewürdigt. Es ist, als würde Gott persönlich anwesend sein, wenn einer seiner Getreuen heimgeht. Als wäre jeder einzelne Tod für ihn ein heiliger Moment. Nicht anonym, nicht vergessen – sondern wie der letzte Schritt eines treuen Knechtes, der seine Arbeit vollendet hat.
„Getreu" – das heißt nicht vollkommen, sondern hingegeben. Menschen wie du und ich, mit Schwächen und Fragen, aber mit einem Herzen, das an Jesus hängt. Und wenn ihr Weg zu Ende geht, dann verliert Gott sie nicht – er empfängt sie.
Das bedeutet nicht, dass unser Schmerz verschwindet. Die Tränen sind real. Aber sie bekommen ein Gegenüber. Einen Gott, der sieht. Der achtet. Der nicht nur weiß, dass jemand gestorben ist, sondern der sagt:
„Dieser Tod ist mir wertvoll. Ich habe ihn selbst durch den Tod meines Sohnes teuer erkauft."
Der Tod der Gläubigen ist für Gott nicht das Ende ihrer Geschichte – sondern ihr Übergang in die Herrlichkeit. Und ihre Treue bleibt nicht unbeachtet, auch wenn die Welt oft schweigt. Der Himmel schweigt nicht.
Wenn du also jemanden verloren hast, den du geliebt hast – und der Jesus liebte –, dann darfst du trauern. Aber du darfst wissen:
Dieser Mensch ist jetzt bei Gott. Und sein Tod war nicht vergeblich. Er war kostbar.
p.s. Dieser Text ist Eduard gewidmet. Ich kannte Dich nicht wirklich, Bruder im Herrn, aber Dein Tod geht mir nah. Weder Du noch Deine Familie wird vergessen. Wir sehen uns in der Ewigkeit.
One of Israel
Re: Impulse
von nusskeks am 02.06.2025 16:34Schawuot / Pfingsten: Von der Stimme zum Geist
„Und das ganze Volk sah die Stimmen ..." (2. Mose 20,18)
Was für ein seltsamer Satz. Wie kann man Stimmen sehen? Das Wort „קולות" (qolot) ist der Plural von „קול" (qol) und kann sowohl „Stimme" als auch „Donner" oder „Schall" bedeuten. Noch ungewöhnlicher ist das Verb: sehen (רָאָה – raʾah). Wie kann man Geräusche sehen?
Die Offenbarung Gottes am Sinai war keine gewöhnliche Erfahrung. Feuer, Rauch, Beben, Posaunenschall – und dann die Stimme Gottes, nicht nur hörbar, sondern sichtbar. In der jüdischen Tradition wird gesagt, dass Gottes Stimme sich in 70 Sprachen zerteilte, damit jedes Volk sie hören konnte. Schon hier, mitten in der Wüste, wird deutlich: Gott redet nicht nur zu Israel – er spricht zur ganzen Welt.
Etwa 1.500 Jahre später geschieht etwas Ähnliches. In Jerusalem, am selben Festtag – Schawuot, das Wochenfest –, erfüllt Gott, was am Sinai begonnen hatte: Der Heilige Geist kommt mit Brausen, Feuer und Sprachen. Jeder hört die Jünger in seiner eigenen Sprache reden. Nicht mehr auf einem Berg verborgen, sondern mitten in der Stadt. Nicht mehr auf Steintafeln geschrieben, sondern in menschliche Herzen.
Sinai und Pfingsten gehören zusammen. Am Sinai gab Gott sein Wort – am Pfingsttag seinen Geist. Beides ist Offenbarung, beides ist Bund, beides ist heilig.
Doch da ist ein Unterschied: Am Sinai stand das Volk in Furcht – sie baten Mose, dass Gott nicht mehr direkt zu ihnen spreche. Am Pfingsten werden Herzen geöffnet. Menschen, die vorher weggelaufen wären, werden mutig. Die Distanz wird überwunden, die Trennung aufgehoben.
Und dann ist da noch das Opfer: An Schawuot mussten zwei gesäuerte Brote als Opfer dargebracht werden – ungewöhnlich, denn Sauerteig ist in der Bibel oft ein Bild für Sünde. Warum also ausgerechnet gesäuerte Brote? Vielleicht ist es ein Hinweis: Gott wusste von Anfang an, dass das, was er an Pfingsten tun würde, mit Menschen geschieht, die nicht vollkommen sind. Menschen mit „Sauerteig" im Herzen – aber bereit, sich Ihm hinzugeben.
Pfingsten heißt: Gott offenbart sich nicht nur über uns, sondern in uns. Der Geist kommt nicht mehr nur auf Mose oder Propheten, sondern auf alle, die glauben – auf Männer und Frauen, Junge und Alte, Juden und Heiden.
Gott spricht – heute. Er will gehört und gesehen werden, durch sein Wort und durch sein Wirken in uns. Die Frage ist: Lausche ich seiner Stimme? Lasse ich zu, dass sie in mein Herz geschrieben wird?
Schawuot erinnert uns daran: Gottes Bund ist lebendig. Sein Wort ist nicht nur gegeben – es ist eingepflanzt. Sein Geist will nicht nur leiten – er will erfüllen.
„Nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist, spricht der HERR." (Sacharja 4,6)
gruß
nk
One of Israel
Re: Impulse
von nusskeks am 30.05.2025 17:56„Wehret ihnen nicht!"
Markus 10,13–16
„Und sie brachten Kinder zu ihm, damit er sie anrühre. Die Jünger aber fuhren sie an. Als es aber Jesus sah, wurde er unwillig und sprach zu ihnen: Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solchen gehört das Reich Gottes. Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen. Und er herzte sie und legte die Hände auf sie und segnete sie."
– Markus 10,13–16
Diese kurze Begebenheit ist viel mehr als eine rührende Kindergeschichte. Sie ist ein tiefgehender Einblick in das Herz Jesu – und eine ernste Lektion für seine Nachfolger.
Wer wurde zurechtgewiesen?
Oft überliest man es: „Die Jünger aber fuhren sie an".
Doch wer ist mit „sie" gemeint? Nicht die Kinder selbst. Der griechische Text sagt: ἐπετίμησαν αὐτοῖς – ein Dativ Plural, der sich grammatikalisch am wahrscheinlichsten auf die Erwachsenen bezieht, die die Kinder zu Jesus brachten. Also vielleicht Mütter, Väter, Verwandte.
Die Jünger stellen sich hier zwischen die Suchenden und den Retter – sei es aus falschem Eifer, einem Bedürfnis nach Ordnung oder aus einem tief sitzenden, gesellschaftlich geprägten Denken: Kinder sind unwichtig. Man stört den Meister nicht mit so etwas.
Und Jesus? – Er wird unwillig.
Das Wort im Urtext – ἠγανάκτησεν (ēganaktēsen) – ist stark. Es bedeutet: Empörung, Zorn über Unrecht oder Härte. Jesus wird nicht oft so beschrieben. Aber hier – wo Menschen den Zugang zu ihm verwehren – reagiert er mit heiliger Entrüstung.
Und dann sagt er zwei Dinge, die alles verändern:
1. „Lasset die Kinder zu mir kommen, und wehret ihnen nicht"
Das ist nicht nur eine Einladung – das ist ein Gebot. Es ist eine Mahnung an alle, die meinen, sie müssten filtern, wer zu Jesus kommen darf.
2. „Denn solchen gehört das Reich Gottes"
Das Reich Gottes gehört denen, die keine Macht, keine Position, keine Leistung vorzuweisen haben – wie Kinder. Die sich beschenken lassen. Die vertrauen. Die kommen, ohne verhandeln zu wollen.
Ein Blick zurück – Hätten die Jünger es wissen können?
Ja. Jesus hatte sie schon belehrt. In Markus 9 (nur ein Kapitel zuvor!) hatte er ein Kind in die Mitte gestellt und gesagt:
„Wer ein solches Kind aufnimmt in meinem Namen, nimmt mich auf" (Mk 9,37)
In Matthäus 18 sagte er sogar:
„Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen."
Die Jünger hätten also wissen können – und müssen –, dass Kinder kein Hindernis, sondern ein Maßstab für den Empfang des Reiches Gottes sind. Ihr Verhalten war nicht bloß ein Missverständnis, sondern Ausdruck eines Denkens, das Jesus radikal durchbrechen wollte.
Für uns heute
Manchmal sind es nicht Worte, sondern Haltungen, mit denen wir Menschen den Weg zu Jesus schwer machen. Wir denken, jemand sei „noch nicht so weit" oder „passt nicht". Aber Jesus sagt:
„Wehret ihnen nicht!"
Niemand ist zu klein. Niemand ist zu unwichtig. Und niemand braucht mehr als das:
mit leeren Händen kommen – wie ein Kind.
gruß
nk
One of Israel
Re: Impulse
von nusskeks am 27.05.2025 14:51Der Schmerz der Liebe – ein Impuls zu Hosea
Der Prophet Hosea ist eine der eindrucksvollsten Stimmen der alttestamentlichen Prophetie. Er predigt nicht nur mit Worten, sondern lebt die Botschaft Gottes am eigenen Leib. Gott befiehlt ihm, eine Ehe mit einer treulosen Frau einzugehen – ein lebendiges Gleichnis für die Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel. Diese Ehe wird zum Abbild eines göttlichen Herzens, das zugleich gebrochen und unaufgebbar treu ist.
Hosea lebte im 8. Jahrhundert v. Chr., in einer Zeit äußerer Blüte und inneren Zerfalls des Nordreichs Israel. Politische Intrigen, soziale Ungerechtigkeit und religiöse Untreue gegenüber Adonaj (אֲדֹנָי), dem Bundesgott, prägten die Gesellschaft. Statt auf den lebendigen Gott zu vertrauen, wandte sich Israel Baal, dem kanaanäischen Fruchtbarkeitsgott, zu. Man suchte Segen, Sicherheit und Identität durch religiöse Mischformen und politische Bündnisse – ein geistlicher Ehebruch in Gottes Augen.
Gott selbst spricht durch Hosea wie ein verletzter, aber liebender Ehemann. Er klagt, er warnt, er richtet – und doch lässt er nicht los. In Hosea 11,8 heißt es: „Wie könnte ich dich preisgeben, Ephraim? [...] Mein Herz kehrt sich in mir um, mein Mitleid ist entbrannt." Dieser Satz gehört zu den tiefsten Offenbarungen göttlichen Erbarmens in der Bibel. Gott ist gerecht – aber er ist kein unbeteiligter Richter. Er liebt. Und diese Liebe ist leidenschaftlich, verletzlich, und sie will zurückgewinnen, nicht vernichten.
Hosea macht klar: Wahre Gotteserkenntnis ist nicht bloßes Wissen oder religiöse Übung. „Denn an Liebe habe ich Gefallen und nicht am Schlachtopfer, an Gotteserkenntnis mehr als an Brandopfern" (Hos 6,6). Jesus selbst zitiert diesen Vers zweimal (Mt 9,13; 12,7) – ein deutlicher Hinweis, wie zentral Hoseas Botschaft auch im Neuen Bund ist. Gottes Ziel war nie ein äußerlicher Kult, sondern ein verändertes Herz.
Im Neuen Testament wird Hosea besonders durch zwei Zitate hervorgehoben: „Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen" (Hos 11,1) bezieht Matthäus auf die Kindheitsgeschichte Jesu (Mt 2,15). Und Paulus bezieht Hosea 2,25 auf die Berufung der Heiden in die Gemeinde Gottes (Röm 9,25f): Die, die „nicht mein Volk" waren, sollen „mein Volk" heißen. Hosea wird damit zu einem Wegweiser auf die Weite der Gnade Gottes – über Israel hinaus zu allen, die ihn von Herzen suchen.
Hosea zeigt uns, dass Gottes Liebe nicht billig ist, sondern teuer erkauft, voller Schmerz und doch voller Hoffnung. Er ruft nicht nur Israel, sondern auch uns: Kehrt um! Kommt zurück zu dem, der euch liebt, obwohl er alles über euch weiß. In einer Zeit, in der Treue oft als Last empfunden wird, lehrt Hosea, dass es ohne Treue keine echte Liebe gibt – weder zwischen Menschen noch zu Gott.
One of Israel
Re: Impulse
von nusskeks am 17.05.2025 10:02Vom Schatten zum Licht – Die Heilung des Blinden von Betsaida
Markus 8,22-26
Die Heilung des Blinden von Betsaida ist einzigartig: Jesus berührt den Mann nicht nur einmal, sondern zweimal, bis er wieder völlig klar sieht. Diese Szene ist mehr als eine wundersame Heilung – sie ist ein lebendiges Gleichnis für das, was Gott mit uns Menschen tun will.
1. Der Weg vom Dunkel ins Licht
Zuerst sieht der Geheilte „Menschen wie Bäume umhergehen". Es ist, als könnte er das Leben nur verschwommen erfassen, als würde Licht zwar ins Auge fallen, aber noch nicht richtig ins Herz. Genau das ist der Zustand vieler Menschen – und auch von uns Christen auf unserem Glaubensweg. Wir wissen von Jesus, wir haben schon Wunder erlebt, aber manches bleibt unscharf, Fragen bleiben offen, Zweifel verdunkeln den Blick. Jesus gibt sich damit nicht zufrieden. Er nimmt den Mann an die Hand, führt ihn aus dem Dorf – weg von Menschen, von Ablenkung, hin zu einer persönlichen Begegnung. Dort, im direkten Kontakt, heilt er – so lange, bis der Mann wirklich klar sieht.
2. Mehr als eine äußere Heilung
Im jüdischen Denken war Blindheit nicht nur ein körperliches Problem, sondern galt auch als Bild für geistliche Blindheit, für Unfähigkeit, Gottes Wirklichkeit wahrzunehmen (vgl. Jesaja 35,5). Die Propheten verheißen, dass der Messias die Augen der Blinden öffnen wird. Jesus erfüllt hier diese Verheißung – und tut es nicht spektakulär vor einer großen Menge, sondern ganz persönlich, diskret, in Beziehung. Er zeigt damit: Gott sieht das einzelne Herz, er begegnet jedem auf dem Weg, der für ihn richtig ist. Die jüdische Welt erwartete solche Zeichen vom Messias; Jesus erweist sich durch dieses Wunder als der verheißene Heiland.
3. Die Lektion für die Jünger – und für uns
Kurz zuvor hatte Jesus seine Jünger getadelt: „Habt ihr Augen und seht nicht?" (Markus 8,18). Sie waren Zeugen seiner Macht, und doch blieb ihr Verständnis verschwommen. Die zweistufige Heilung spiegelt genau ihren Zustand wider – sie sehen schon ein Stück weit, aber vieles bleibt ihnen verborgen, bis Jesus ihr Herz immer mehr öffnet. Erst nach Ostern werden sie „alles klar" erkennen.
Auch unser Glaube wächst oft schrittweise. Wir erleben Gottes Wirken, verstehen manches – doch vieles bleibt schemenhaft, besonders wenn Zweifel, Traditionen oder alte Denkmuster uns den Blick verstellen. Jesus aber bleibt an unserer Seite, berührt uns immer wieder durch sein Wort, seinen Geist, seine Liebe, bis unser Blick klar und unser Herz offen wird.
4. Ermutigung: Bleib bei Jesus – auch wenn noch nicht alles klar ist!
Die Geschichte macht Mut: Du musst nicht alles auf einmal verstehen. Komm mit deinem Unklaren, deinem Halbglauben, deiner geistlichen „Kurzsichtigkeit" immer wieder zu Jesus. Er geht behutsam mit dir um, begegnet dir individuell und gibt nicht auf, bis du wirklich sehen kannst – bis der Glaube dich vom Schatten ins Licht führt.
One of Israel
Re: Impulse
von nusskeks am 16.05.2025 10:31Markus 8,14–21: Sehende Herzen, offener Glaube
Die Jünger sitzen mit Jesus im Boot. Sie haben vergessen, genug Brot mitzunehmen. Kaum spricht Jesus sie an – „Hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer und des Herodes!" – denken sie, er rede über das Brot. Ihre Sorge dreht sich um das Sichtbare, das Alltägliche, das, was vor Augen ist.
Doch Jesus greift tiefer. Immer wieder fragt er sie: „Habt ihr noch nicht verstanden? Ist euer Herz immer noch verhärtet?" (πεπωρωμένην – „verhärtet"; καρδία – das Herz als Sitz von Verstand, Wille und Glauben).
Er erinnert sie an die beiden Brotwunder: Wie viele Brote hattet ihr? Wie viele Körbe blieben übrig? Mit diesen Fragen führt Jesus seine Jünger – und uns – zur entscheidenden Einsicht:
Das eigentliche Problem ist nicht der Mangel an Brot. Das eigentliche Problem ist das Mangelbewusstsein im Herzen.
Der „Sauerteig der Pharisäer" steht für religiöse Blindheit, Heuchelei, für ein Leben, das Gottes Wirken auf menschliche Traditionen und Kontrolle reduziert. Der „Sauerteig des Herodes" steht für ein weltliches Herz, das Sicherheit und Versorgung außerhalb Gottes sucht. Beide Haltungen vergiften das geistliche Leben – langsam, aber durchdringend, wie Sauerteig den ganzen Teig durchsäuert.
Jesus zeigt: Wer mit ihm unterwegs ist, darf im Vertrauen leben. Er hat aus wenigem Tausende gesättigt, zweimal. Er ist nicht nur der Versorger äußerlicher Bedürfnisse, sondern der Herr über alle Nöte. Die Frage Jesu: „Versteht ihr noch nicht?" ist ein Weckruf. Glauben bedeutet, über das Sichtbare hinauszusehen, Gottes Gegenwart und Fürsorge zu erkennen – gerade im Alltag, gerade dann, wenn Mangel sichtbar ist.
Jesu Appell an seine Jünger ist auch heute hochaktuell:
Hüte dein Herz vor allem, was dein Vertrauen in Gottes Versorgung und Wahrheit untergräbt! Der größte Mangel im geistlichen Leben ist nicht der Mangel an Mitteln, sondern an geistlichem Verständnis und kindlichem Glauben.
Der Grundtext betont, dass „Begreifen" (νοεῖν) mehr ist als Verstandesarbeit – es ist ein Herzensvorgang. Das Herz muss weich und offen bleiben für Gottes Reden. Jesu Wunder und Worte laden ein, den Blick zu heben: von den Sorgen des Alltags zu dem, der auch das Geringste überfließen lassen kann.
One of Israel
Re: Impulse
von nusskeks am 14.05.2025 13:04Was Gott wirklich sieht – Ein Impuls zu Markus 7,1–23
Es ist eine der schärfsten Auseinandersetzungen, die Jesus mit den religiösen Leitern seiner Zeit führt. Die Szene beginnt mit einer scheinbar harmlosen Beobachtung: Einige Jünger Jesu essen ohne das vorgeschriebene Händewaschen. Was auf den ersten Blick wie eine Nebensächlichkeit erscheint, entlarvt Jesus als Symptom einer viel tieferliegenden Krankheit – einer Religion, die das Äußere wichtiger nimmt als das Innere.
Die „Überlieferung der Ältesten" (παράδοσις τῶν πρεσβυτέρων) ist hier der Kern des Streits. Diese Überlieferung meint nicht die Tora, Gottes offenbarte Weisung, sondern die rabbinischen Auslegungen und Zusatzregeln, die im Laufe der Zeit zu einem eigenen System gewachsen waren – dem, was später in der Mischna und im Talmud schriftlich festgehalten wurde. Die Pharisäer glaubten, durch diese Regeln Gott näher zu kommen. Doch Jesus deckt auf: Sie haben durch ihre Tradition das Wort Gottes selbst unwirksam gemacht (V. 13).
Jesus geht noch tiefer. Er zeigt, dass Reinheit niemals von außen nach innen kommt. Nicht das Berühren unreiner Dinge oder das Vernachlässigen äußerer Rituale verunreinigt den Menschen. Es ist das, was aus dem Herzen hervorgeht – „böse Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Mord..." (V. 21-22). Im griechischen Text steht hier das Wort καρδία (kardia) – das Herz. Im biblischen Denken ist das Herz nicht nur der Sitz der Gefühle, sondern das Zentrum von Wille, Denken und Motivation. Hier entscheidet sich, wer wir wirklich sind.
Das revolutionäre an Jesu Lehre ist nicht, dass er die Tora verwirft – im Gegenteil, er erfüllt sie in ihrer wahren Tiefe. Er zeigt, dass Gott nie an bloßen Äußerlichkeiten interessiert war. Schon Mose sagte: „So beschneidet nun die Vorhaut eures Herzens" (5Mo 10,16). Der Prophet Jesaja klagte: „Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, aber ihr Herz ist fern von mir" (Jes 29,13, zitiert in V. 6). Jesus stellt das Herz wieder in den Mittelpunkt.
Der Konflikt zwischen Tora und Talmud ist also nicht der zwischen Gesetz und Evangelium, sondern zwischen Gottes Wort und menschlichen Ergänzungen, die Gottes Wort verdunkeln. Das bleibt bis heute aktuell. Auch wir sind in Gefahr, Traditionen, Formen und menschliche Frömmigkeit über das zu stellen, was Gott wirklich wichtig ist: Ein reines Herz.
Jesus ruft uns zur Umkehr – nicht zu einer äußerlichen Korrektur, sondern zu einer Erneuerung des Herzens. Nur er kann das schaffen. Er ist gekommen, um das Gesetz nicht nur zu lehren, sondern es auch für uns zu erfüllen und uns durch seinen Geist ein neues Herz zu geben.
One of Israel
Re: Impulse
von nusskeks am 10.05.2025 10:18Glaube – Mehr als Wissen, aber niemals weniger
„Glauben heißt nicht wissen."
Diesen Spruch hört man oft – und er klingt auf den ersten Blick überzeugend. Doch ist er wahr? Ist christlicher Glaube wirklich nur eine unsichere Hoffnung auf etwas, das wir eigentlich nicht wissen können?
Die Bibel zeigt ein anderes Bild. In Hebräer 11,1 heißt es: „Glaube ist eine feste Zuversicht dessen, was man nicht sieht." Das heißt nicht: „was man nicht weiß." Glaube geht über das Sichtbare hinaus – aber er widerspricht nicht dem Wissen. Er ist nicht das Gegenteil von Wissen, sondern eine begründete Zuversicht auf das, was wir mit unseren Augen nicht sehen, aber mit unserem Verstand und Herzen erfassen können.
Wissen bedeutet, die Wirklichkeit so zu erkennen, wie sie wirklich ist – aufgrund vernünftiger und tragfähiger Gründe. Christen dürfen sagen: Wir glauben nicht trotz besseren Wissens, sondern weil wir überzeugt sind, dass der christliche Glaube auf der Wahrheit beruht.
Wir glauben nicht gegen die Vernunft, sondern wir lieben Gott mit ganzem Herzen und mit ganzem Verstand (Lukas 10,27). Jesus selbst hat seine Gegner mit scharfen Argumenten herausgefordert und die Wahrheit verteidigt. Auch die Apostel und Christen durch die Jahrhunderte standen für einen begründeten Glauben, der sich dem ehrlichen Nachdenken stellt.
Glaube ist mehr als Wissen, weil er uns zu einer lebendigen Beziehung zu Gott führt, die über bloße Fakten hinausgeht. Aber er ist niemals weniger als Wissen, weil er sich auf tragfähige, vernünftige Gründe stützt. Christlicher Glaube ist keine Flucht ins Gefühl, sondern ein Leben im Vertrauen auf die Realität Gottes.
Glaube ohne Wissen wäre blind. Wissen ohne Vertrauen wäre tot.
Echter Glaube verbindet beides zu einer lebendigen, begründeten Zuversicht, die trägt – im Leben, im Sterben und in Ewigkeit.
One of Israel
Re: Impulse
von nusskeks am 09.05.2025 14:16Gott kommt ins Zelt – und das Gericht naht
Genesis 18,1–19,29
Stell dir vor, du sitzt in der Hitze des Tages im Eingang deines Zeltes. Du hast schon viele Verheißungen von Gott gehört, doch sie sind noch nicht Wirklichkeit geworden. Du bist alt, deine Frau ist alt. Alle menschliche Hoffnung scheint vorbei. Plötzlich treten drei Fremde auf dich zu. Du weißt nicht, wer sie sind – noch nicht.
So beginnt die Erzählung in Genesis 18. Sie nimmt uns mit in eine Welt, die uns fremd erscheinen mag: Die Welt eines Nomaden, der zwischen Altar und Wüste lebt, der mit offenen Augen und einem hörenden Herzen den Besuch Gottes empfängt.
Der erste Satz verrät das große Geheimnis schon vorab:
„Und JHWH erschien ihm bei den Terebinthen von Mamre." (Genesis 18,1)
JHWH – der Heilige Israels, der Unfassbare, der Ewige – kommt als Mensch. Abraham erkennt ihn nicht sofort. Er sieht drei Männer (אֲנָשִׁים, anaschim). Doch was er tut, zeigt sein Herz: Er ehrt sie, er eilt zu ihnen, er wirft sich zu Boden, er nennt sie „Herr" (אָדֹנָי, Adonai). Vielleicht ist es noch Höflichkeit – vielleicht ahnt er mehr.
Er bietet wenig an, aber er gibt viel. Drei Maß Mehl (שְׁלֹשׁ סְאִים, etwa 20 Liter), ein zartes Kalb, Butter und Milch – ein königliches Mahl. Während Abraham noch dient, beginnt Gott zu reden.
„Wo ist deine Frau Sarah?"
Er nennt sie beim Namen. Er kennt ihre Geschichte. Er wiederholt die Verheißung: In einem Jahr wird sie einen Sohn haben. Sarah hört mit. Sie lacht – nicht vor Freude, sondern vor Unglauben. Zu lange hat sie gehofft, zu tief sitzt die Enttäuschung. Doch Gott stellt sie zur Rede:
„Warum lacht Sarah? Sollte für JHWH etwas zu wunderbar sein?" (18,14)
JHWH – der El Schaddai, der Allmächtige, hatte sich Abraham bereits so vorgestellt (Genesis 17,1). Nun macht er klar: Er kann tun, was kein Mensch mehr zu hoffen wagt.
Doch die Szene bleibt nicht beim Wunder stehen. Sie wechselt das Bild. Die drei Männer blicken auf Sodom. Dort herrscht Gewalt, Unzucht, Maßlosigkeit. Gott sagt, er will sehen, ob das Geschrei über die Stadt gerechtfertigt ist (18,20–21). Er teilt Abraham seinen Plan mit. Er zieht ihn in sein Herz hinein, in das, was ihn bewegt.
Und Abraham steht vor ihm – der erste Fürsprecher der Bibel.
Er wagt es zu fragen:
„Willst du wirklich den Gerechten mit dem Gottlosen wegraffen?" (18,23)
Er ringt mit Gott – von fünfzig bis zehn Gerechte. Er spricht nicht über Schuldige oder Böse, sondern er sucht die Gerechten. Abraham weiß, Lot lebt dort. Vielleicht auch andere. Doch die Stadt ist verloren. Nicht einmal zehn werden gefunden.
Die Erzählung führt uns nach Sodom. Lot sitzt am Stadttor. Er empfängt die beiden Engel, wie Abraham die drei Männer. Auch er bietet Gastfreundschaft, doch die Stadt will die Gäste schänden. Lot zögert, seine Familie zögert. Die Engel müssen ihn herausreißen (19,16). Das hebräische Wort הֶחֱזִיק (hechezik) beschreibt ein Festhalten, ein Greifen – Gott zieht Lot förmlich aus der Stadt des Gerichts heraus.
Feuer und Schwefel fallen vom Himmel. Die Stadt wird zerstört. Lots Frau schaut zurück und bleibt stehen – ein Mahnmal. Doch Lot wird gerettet, um Abrahams willen (19,29).
Diese Erzählung zeigt zwei Gesichter Gottes:
• Er ist der El Schaddai, der Allmächtige, der Leben schafft, wo keines mehr möglich ist.
• Er ist JHWH, der Richter der Erde, der das Böse nicht ungestraft lässt.
Aber zwischen diesen beiden Gesichtern steht Abraham – der Freund Gottes. Er steht zwischen Zelt und Stadt. Er steht zwischen Verheißung und Gericht. Er steht für andere ein, auch wenn das Ergebnis offen bleibt.
Die Erzählung fordert uns heraus, Gottes Nähe zu suchen – nicht im Spektakel, sondern im Alltag, wo er unerwartet kommt. Sie lädt uns ein, seine Verheißungen zu glauben, auch wenn sie menschlich unmöglich erscheinen. Sie ruft uns dazu auf, für andere einzutreten, selbst wenn es aussichtslos scheint. Und sie mahnt uns, Gottes Gericht ernst zu nehmen, das kommen wird, wenn seine Geduld endet.
Doch über all dem steht:
„Sollte für JHWH etwas zu wunderbar sein?"
Diese Frage bleibt – bis wir sie im Evangelium beantwortet sehen: In Jesus Christus kommt Gott selbst in unser Menschsein. Er tritt als der eine Gerechte für uns ein. Er nimmt das Gericht auf sich. Er schenkt neues Leben.
One of Israel
Re: Impulse
von nusskeks am 08.05.2025 13:16„Denn ihr Herz war verhärtet" – Wenn Jesus lehrt durch Sturm und Brot (Mk 6)
Nach der gewaltigen Speisung der Fünftausend nötigt Jesus seine Jünger, ins Boot zu steigen. Das griechische Wort ἠνάγκασεν (V. 45) ist stark: Er zwang sie. Warum? Jesus will allein beten – aber er will auch, dass die Jünger sich in eine Situation begeben, die sie überfordert. Als sie später im Dunkeln gegen den Wind ankämpfen, erkennt Jesus ihre Not – nicht erst, als sie schreien, sondern „sieht" sie beim Rudern (V. 48), obwohl er weit entfernt auf dem Berg ist. Diese göttliche Sicht erinnert an Gottes fürsorgliches Sehen in der Wüste (vgl. 2. Mose 3,7).
Dann geht er auf dem See zu ihnen – περιπατῶν ἐπὶ τῆς θαλάσσης, ein Ausdruck, der wörtlich „auf dem Wasser schreitend" bedeutet. Das ist keine bloße Machtdemonstration, sondern eine Offenbarung. Im Alten Testament ist es allein JHWH, der „auf dem Meerweg geht" (Hiob 9,8; Ps 77,20). Doch die Jünger „meinen, es sei ein Gespenst" – sie sind mehr erschrocken von der Erscheinung des Retters als vom Sturm selbst.
Jesu erste Worte durchbrechen das Chaos: „ἐγώ εἰμι· μὴ φοβεῖσθε." – „Ich bin es, fürchtet euch nicht." Dieses ἐγώ εἰμι erinnert an Gottes Selbstoffenbarung in 2. Mose 3,14 – „Ich bin, der Ich bin". Jesus offenbart sich nicht nur als Helfer, sondern als der, der über dem Wasser wandelt: der Ich bin, der Gott Israels.
Doch dann folgt die ernüchternde Diagnose: „Ihr Herz war verhärtet" – ἡ καρδία πεπωρωμένη (V. 52). Das griechische Perfekt zeigt: Die Verhärtung ist nicht nur punktuell – sie hat sich verfestigt. Obwohl sie das Wunder mit den Broten gesehen hatten, hatten sie nicht „verstanden" (συνῆκαν) – ein Begriff, der mehr meint als intellektuelles Begreifen. Er spricht von einem Zusammensehen, einem geistlichen Verstehen, das auf Offenbarung gründet. Ihnen fehlt noch das geistlich Sehende Herz.
Das ist erschütternd. Die Jünger sind bei Jesus, erleben seine Taten, hören seine Worte – und doch bleibt ihr Inneres unberührt. Nicht weil Jesus unklar wäre, sondern weil ihr Herz nicht offen ist. Das ist keine bloße Schwäche, sondern geistliche Blindheit. Jesus lehrt sie nicht nur mit Worten, sondern durch Erfahrungen. Doch Lernen erfordert ein weiches Herz.
Auch wir können mitten im Dienst Jesu stehen, in der Gemeinde, in der Mission, und dennoch geistlich blind sein. Wir kämpfen gegen den Wind – aber erkennen wir den, der über dem Sturm wandelt? Wir sehen die Brote – aber begreifen wir, was sie über Christus sagen? Wenn unser Herz nicht weich, nicht durchlässig für seine Offenbarung ist, erleben wir viel – aber erkennen wenig.
Die gute Nachricht? Jesus lässt die Jünger nicht allein. Er kommt – auch zu Verhärteten. Er steigt ins Boot – und der Wind legt sich. Auch uns will er neu offenbaren: „Ich bin es. Fürchtet euch nicht." Er kann unsere Herzen weich machen.
One of Israel