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Re: Vorherwissen, Vorherbestimmung und die anderen Eigenschaften Gottes
von BibleDictionary am 08.08.2015 09:18
Sehe ich tatsächlich nicht ganz so. Dass Gott in Jesus Christus stellvertretend die Gerechtigkeit erfüllte, die wir brauchen, um vor ihm zu bestehen, ist nicht gerecht – es ist gnädig und wurzelt in seiner unermesslichen Liebe. Dass er uns – da es uns an Gerechtigkeit mangelt – verurteilt, ist gerecht; dass er die uns mangelnde Gerechtigkeit selber beschafft, um uns zu erlösen, hat selber mit Gerechtigkeit seinerseits wenig zu tun – es ist tiefster Ausdruck seiner Liebe und der daraus resultierenden gnädigen Zuwendung uns gegenüber. In allerletzter Konsequenz betrachtet, ist die Liebe das, was der Ausübung aller Eigenschaften Gottes zugrunde liegt.
Dass Gott auch Hass kennt, habe ich übrigens mit keinem Wort bestritten. Gottes Liebe zum Guten schließt automatisch die Ablehnung des Bösen bzw. den Hass auf dasselbe ein. Aber dieser Hass ist Ausdruck seiner Liebe – nämlich seiner Liebe zum Guten. Nichts, was aus Gott kommt – nicht einmal sein Hass –, ist ohne Bezug zu seiner Liebe. Darin besteht auch der wesentliche Unterschied zwischen Gottes »Hassen« und dem der Menschen im Allgemeinen: Gottes Hass liegt da Motiv der Liebe zum Guten zugrunde; bei uns Menschen hingegen ist der Hass i.d.R. ungerecht; er resultiert meistens nicht aus der Liebe zum Guten, sondern stammt wirklich aus einem hasserfüllten Herzen, das genauso böse ist wie die Sache oder die Person und deren Taten, die wir hassen.
christ9 hat eigentlich sehr schön ausgedrückt, wie es ich verstehe:
Man muss sich eben des Umstands bewusst sein, dass Gott nicht emotional aus einem Affekt heraus handelt, sondern aus einer grundsätzlichen Einstellung aus dem Innersten seines Wesens. »Liebe« ist in diesem Sinne weit mehr als das Gefühl von Zuneigung, es ist eine grundsätzliche positive innere Haltung, die sich dann in konkreten Taten (auch Ablehnung und Verdammung des Bösen) äußert. Gottes »Emotionen« sind also keine an den Augenblick gebundene Äußerungen seines Wesens, sondern ewige und zu allen Zeiten gleiche Einstellungen zu bestimmten Dingen, seien sie gut oder böse.
Apg. 17,27: Sie sollten Gott suchen, ob sie ihn ertasten und finden könnten; denn keinem von uns ist er fern.
So ganz scheint die Möglichkeit nach Gott zu fragen mit dem Sündenfall demnach nicht verlorengegangen zu sein.
Nun ja, weder steht dort, dass je einer der besagten Menschen Gott tatsächlich gesucht und gefunden hätte, noch steht dort, dass der Mensch grundsätzlich dazu befähigt sei. Es ist viel mehr etwas Fragliches: »ob sie ihn wohl finden könnten« ... Daraus eine grundsätzliche Fähigkeit des Menschen abzuleiten, nach dem wahren Gott zu fragen, ihn zu suchen und zu finden, lässt sich exegetisch nicht begründen. Es steht dort nun einmal nicht und wird weder ausdrücklich gesagt noch vorausgesetzt.
Das oft darauf zu hörende Argument: »Gott stellt keine Forderungen, die Menschen nicht erfüllen können«, muss aufs Schärfste zurückgewiesen werden. Und wie er das tut! Täte er das nicht, hätte er sich das Kreuz sparen können. Gerade das Kreuz zeigt deutlich, dass Gott an seinen Forderungen keinerlei Abstriche macht und seine Gebote für uns auf das reduziert, was wir »erfüllen« können. Er kann Gehorsam dort einfordern, wo kein Mensch in der Lage ist, ihn zu leisten. Nur weil der Mensch ungerecht geworden ist, passt Gott seine Gerechtigkeit und die Forderungen derselben der menschlichen Ungerechtigkeit nicht an.
So, ihr Lieben – und nun muss ich mich aus der Diskussion ausklinken, da ich für die nächsten drei Wochen in einem sicher wunderschönen (mir »vorherbestimmten«? ) Urlaub bin (erst zwei Wochen in Kroatien, danach eine Woche in Österreich) ...
Beste Grüße
Christian
Re: Vorherwissen, Vorherbestimmung und die anderen Eigenschaften Gottes
von BibleDictionary am 05.08.2015 20:46Lieber Pal,

an dieser Stelle stellt sich mir die Frage, ob denn Liebe tatsächlich unbedingt der Freiwilligkeit bedarf. Wie sieht es denn mit der Liebe Gottes aus? Die Schrift sagt (1Joh 4,8.16): »Gott ist Liebe«. Damit ist Liebe nicht lediglich ein Ausdruck göttlichen Wesens neben Ausdrücken anderer göttlicher Wesensmerkmale, sondern sie ist das Wesen Gottes selbst. Alle anderen Wesenszüge leiten sich von dieser Liebe her ab.
Um es plastisch darzustellen: Wenn man alle Eigenschaften Gottes (Gerechtigkeit, Liebe, Macht und Weisheit) mit einer großen Torte vergleichen würde, entsprächen Gerechtigkeit, Macht und Weisheit einzelnen Tortenstücken, die Liebe jedoch dem Tortenboden, auf dem die Stücke stehen.
Insofern ist auch Gottes Liebe nicht freiwillig in dem Sinne, dass er nicht lieben könnte. »Nicht lieben« entspricht nicht Gott; alles, was nicht aus Liebe geschieht, hat seinen Ursprung nicht in Gott. Liebe hat weniger etwas mit Freiwilligkeit zu tun, als vielmehr mit einer bestimmten Einstellung bzw. Grundhaltung, die man einer Sache oder einer Person gegenüber hat. Wie in meinem Fall (die Liebe zu Gott) diese Einstellung bzw. Grundhaltung nun zustande gekommen ist (ob freiwillig [mit der Option, auch anders zu entscheiden] oder nicht), spielt dabei zunächst keine Rolle. Man unterstreicht bei Liebe gerne die Freiwilligkeit, aber wer sagt eigentlich, dass echte Liebe ihrem Wesen nach ausschließlich auf Freiwilligkeit basierten müsste? Kann es sein, dass wir Liebe im Allgemeinen vielleicht nicht ganz korrekt definieren? Kann es sein, dass wir nicht erkennen, dass Liebe ihrem Wesen nach bereits echt ist – unabhängig von Freiwilligkeit?
Man spricht ja auch davon, dass ein Gottloser »die Sünde liebt«. Nun, er kann auch nicht anders. Ihm fehlt schlicht und einfach das Wesen, um die Sünde zu hassen. Er dient ihr nicht freiwillig (als hätte eine andere Option), sehr wohl aber willig, weil seine Sünde seinem Wesen entspricht. Er liebt sie wirklich, weil er sich selbst liebt – in dem Sinne, dass er an sich bzw. an seiner Sünde hängt und auch gar nicht einsieht, warum er sie aufgeben sollte.
Nun ja, die Auffassung, dass ein Mensch aus sich allein heraus freiwillig (mit der Option, auch anders entscheiden zu können) für Gott entscheidet, obwohl ihm schlicht der Geist zum geistlichen Denken und Urteilsvermögen fehlt (und damit auch die Möglichkeit zu erkennen, dass er der Buße und Bekehrung bedarf), ist nicht weniger paradox als die von dir völlig richtige Formulierung, dass ein Baby sich nicht selbst zeugen kann – geistlich gesprochen: Ein Mensch kann nicht seine eigene Wiedergeburt bewirken –, wobei dennoch der »freie Wille« nicht »übergangen« werden soll. Das gilt dann aber bitte schön auch fürs Baby ...
Was nun? Haben wir es tatsächlich mit einer Paradoxie zu tun? Ich würde sagen: jein. Innerhalb der Raster unseres Ereignis- und Verständnishorizonts bekommen wir nur sehr begrenzten Einblick in das Verhältnis von göttlicher Prädestination und menschlicher Verantwortung. Fakt ist: Der gefallene Mensch besitzt Entscheidungsspielraum, sonst könnte er für seine Entscheidungen nicht verantwortlich gemacht werden. Fakt ist aber auch: Kein Mensch kann sich ohne die Überführung mittels des Heiligen Geistes Gott zuwenden. Hier hört also die »Freiheit« des natürlichen Menschen (der sich ja eben nur innerhalb des »Natürlichen« frei bewegen kann) auf. Die Freiheit des natürlichen Menschen ist also relativ, weil eben auf das Natürliche beschränkt und nicht auf das Geistliche erweiterbar. Dazu bedarf es der Überführung durch den Heiligen Geist mittels der Verkündigung des Evangeliums, damit auch der Erleuchtung des bisher verfinsterten Verstandes und letztlich der sich darin abspielenden geistlichen Wiedergeburt.
Es ist mir an dieser Stelle wichtig festzuhalten, dass der Ruf Gottes in dem gefallenen Menschen nicht auf ein Ja stößt, sondern ein Ja erzeugt.
Mit besten Grüßen
Christian

Re: Vorherwissen, Vorherbestimmung und die anderen Eigenschaften Gottes
von BibleDictionary am 05.08.2015 20:38Hallo, christ90!

An dieser Stelle müssen wir aufpassen, dass wir am Ende nicht aneinander vorbeireden. Ich bestreite mit keinem Wort, dass der Mensch mit einem freien Willen erschaffen wurde. Als Adam und Eva geschaffen wurden, gab es in ihnen keine innere Disposition, die sie »gezwungen« hätte, auf eine »bestimmte« Weise zu handeln, sondern sie verfügten über die Fähigkeit, aus sich heraus zwischen zwei Wegen zu wählen.
Woran ich erhebliche Zweifel habe, ist, dass der Mensch auch nach dem Sündenfall noch über diese Fähigkeit verfügt. Adam und Eva waren m.E. im Grunde die einzigen beiden Menschen, die – verglichen mit uns – in einer »neutralen« Position standen und zwischen Gut und Böse wählen konnten. Sie waren weder auf das Gute noch auf das Böse festgelegt. Der Mensch nach dem Sündenfall hingegen ist auf das Böse festgelegt – nachdem er sich von der Quelle des Guten getrennt hatte, konnte seine Position nicht mehr »neutral« sein, sondern war zwangsläufig fortan böse, denn das Böse wird über die Abwesenheit des Guten definiert; der gefallene Mensch hat aus sich heraus keine Möglichkeit, sich gegen die Sünde zu entscheiden, weil sein ganzes Denken Sünde ist – nichts, was der natürliche Mensch denkt, plant und tut, fragt nach Gottes Willen, sondern sucht die eigene »Herrschaft«.
Das Argument ist zunächst nachvollziehbar, basiert jedoch auf einem Missverständnis, nämlich dass der gefallene Mensch vielleicht dem Willen nach etwas wolle (Gott suchen), was er dem Tun nach nicht könne – er werde »zwanghaft (von außen)« daran gehindert und müsse daher merken, dass vieles, was er tut, nicht »freiwillig«, sondern »gezwungen« ist.
Das ist jedoch keineswegs der Fall. Er merkt seine Hinderung gar nicht, weil sie (naturgemäß) aus seinem eigenen gefallenen Wesen kommt und nicht von außen. Er wird nicht von außen gehindert, nach Gott zu fragen; seine eigene Natur, sein Wesen, lässt das nicht zu. Er steht unter dem »Zwang« seiner eigenen Ablehnung gegen Gott, an der er aus sich heraus nichts ändern kann; weil aber diese Ablehnung aus seinem verfinsterten Denken, mithin seinem verfinsterten Willen kommt, nimmt er dies nicht als »Zwang« wahr. Nicht nach Gott zu fragen ist ja genau das, was er will; er wird nicht gegen seinen Willen dazu »gezwungen«.
Wir müssen halt bedenken, dass der gefallene Mensch (aus Eigenverschulden) so wollen »muss«, wie er will; Gott kann man an dieser Stelle keine Ungerechtigkeit nachsagen, denn der Mensch steht zwar unter Zwang, jedoch nicht unter göttlichem Zwang, sondern unter dem Zwang seines eigenen sündigen Wesens. Das ist ja gerade das Tragische an dem Verlust der Gottesbeziehung durch den Sündenfall: der Verlust der Freiheit. Der gefallene Mensch ist nicht mehr frei. Als der Mensch die Gemeinschaft mit Gott (die Freiheit gewährte) verließ, blieb ihm nur noch die Gefangenschaft der Sünde.
Da hat wohl jemand das Themenpapier Prädestination – die Lehre von der Gnadenwahl und Vorherbestimmung Gottes, herausgegeben vom Theologischen Ausschuss des Bundes Freikirchlicher Pfingstgemeinden, Erzhausen, gelesen,

Eine recht gute Ausarbeitung, muss ich sagen; ich gehe nicht mit allem einig, aber insgesamt ist sie gut fundiert.
Ach so ... Ähm, ja, dann ist ja alles klar und ich hätte mir die obige Ausführung sparen können ...

Mit besten Grüßen
Christian

Re: Vorherwissen, Vorherbestimmung und die anderen Eigenschaften Gottes
von BibleDictionary am 04.08.2015 17:36Wenn Gott doch etwas weiß, bedeutet dies doch nicht, dass er es so führt, oder...?
Oder habe ich dich hier falsch verstanden...?
Lg Cleo
Hallo, liebe Cleo!

Mitnichten ist daran zu denken, dass Gott alles, was er weiß, so führt (oder sagen wir besser: verursacht), wie es läuft. Beispielsweise ist Gott nicht der Urheber des Bösen.
An dieser Stelle einmal der gesamte – in einem vorigen Beitrag von mir bereits auszugsweise zitierte – Scofield-Kommentar zum Thema »Vorherbestimmung«:
In dem gesamten vorherbestimmten Plan Gottes müssen wir unterscheiden zwischen zwei Arten von vorsätzlichen Ereignissen: (1) Ereignisse, die göttlich verursacht sind, wie die Errettung der Erwählten; und (2) Ereignisse, die göttlich zugelassen sind.
Wenn wir sagen, dass Gott die bösen Taten der Menschen vorherbestimmte, so bedeutet das nicht, dass Gott diese Taten verursachte, denn das würde Gott zum Urheber des Bösen machen. Es bedeutet vielmehr, dass Gott – der wusste, wie die Menschen unter verschiedenen Umständen handeln würden – vorher beschloss, ihnen zu erlauben, so zu handeln; dadurch setzte er fest, dass die Taten geschehen würden; sie wurden zu Teilen seines gesamten Plans. Aber trotzdem bleiben alle Menschen voll verantwortlich für das, was sie tun (Lk 22,22).
Die biblische Wahrheit der Prädestination weckt schwierige intellektuelle Probleme, aber man kann ihnen nicht dadurch ausweichen, dass man die Prädestination verwirft und das Vorherwissen bejaht. Denn wenn Gott alle Dinge vorauswusste, dann sind sie ebenso gewiss, als ob sie vorherbestimmt wären.
Dieser Definition von »Vorherbestimmung« kann ich mich durchaus im Wesentlichen anschließen ...
Mit besten Grüßen
Christian

Re: Vorherwissen, Vorherbestimmung und die anderen Eigenschaften Gottes
von BibleDictionary am 03.08.2015 20:26Hey, Pal!

Ob die beiden Fragen überflüssig gewesen wären, wenn der Aussage Jesu nicht die Intention zugrunde gelegen hätte, Judas zur Umkehr zu bewegen, ist spekulativ. Es könnte für Judas ohnehin schon zu spät gewesen sein, nennt ihn Jesus doch noch vor seiner Begegnung mit ihm im Garten Gethsemane »Sohn des Verderbens« und bezeichnet ihn als »verlorengegangen« (Joh 17,12, von dir bereits angeführt!). Möglicherweise sollte einfach der krasse Gegensatz zwischen der Güte Jesu und der Boshaftigkeit des Judas offenbar werden, dass Jesus so reagierte. Aber auch das ist spekulativ.
Was mir in dem bisherigen Austausch zwischen uns allen bzgl. der Thematik Prädestination und Verantwortung auffällt, ist der Umstand, dass man sehr schnell Gottes Allwissenheit akzeptiert, ohne Konsequenzen für die »Freiheit« des menschlichen Willens zu sehen.
Ich meine Folgendes:
Jemand sagt: Der Mensch kann frei entscheiden, ob er gerettet wird oder nicht. Derselbe Jemand sagt: Gott ist allwissend und weiß daher auch, wie jeder freiwillig entscheiden wird, und darum sind ihm die Geretteten von Grundlegung der Welt an bekannt.
Das Argument kann ich nicht nachvollziehen, denn wenn ich die Entscheidung eines Menschen »voraussehen« kann, so bedeutet dies doch letztlich, dass die Entscheidung eines Menschen einem Muster folgt, das sich ganz sicher berechnen lässt und absolut feststeht. Seine Entscheidungen sind in diesem Sinne »vorherbestimmt«. Das wiederum bedeutet logischerweise auch, dass die Entscheidungen, die ein Mensch trifft, am Ende nicht wirklich frei (unabhängig) sein können.
Wie ich finde, trifft ein Scofield-Kommentar zu Eph 1,11 in dieser Sache »den Nagel auf den Kopf«:
Löst zwar unsere »intellektuellen Probleme« mit dieser Lehre nicht, klingt für mich aber wesentlich plausibler, als die vermeintliche »Berechenbarkeit« von wirklich freien Entscheidungen. Wären sie frei, dann wären sie auch nicht berechenbar, und das ganze Ende einer Sache wäre ungewiss.
Mit besten Grüßen
euer Christian

Re: Vorherwissen, Vorherbestimmung und die anderen Eigenschaften Gottes
von BibleDictionary am 03.08.2015 14:25Pal schrieb:
Ne, ne, ihr Lieben – in meiner Bibel steht es anders (Joh 6,64.70):
Mit besten Grüßen
Christian

Re: Vorherwissen, Vorherbestimmung und die anderen Eigenschaften Gottes
von BibleDictionary am 02.08.2015 22:18Lieber Pal,
das führt uns zu weiteren wichtigen Fragen: Ist Gottes Heilshandeln an einem Menschen bedingt oder unbedingt? Trägt mein Innerstes dazu bei, ob Gott mich beruft, oder nicht? Wenn jemand nicht berufen wird, weil er »zu boshaft« ist, bedeutet das im Umkehrschluss, dass ich – der ich berufen wurde – grundsätzlich weniger boshaft (könnte man sogar sagen: »besser«?) gewesen bin? War etwas in mir Auslöser dafür, dass Gott mich berief, bzw. wurde Gott von etwas in mir dazu bewegt, mich zu berufen? Geht es da am Ende nicht doch um Errettung aus Werken, Verdiensten oder Vorleistungen? War ich etwa weniger geistlich tot als andere, die nie zum Glauben gekommen sind? War ich von Grund auf Gott zugeneigter als andere? War ich weniger weit von ihm entfernt?
Man merkt: Da stimmt irgendetwas nicht ...

Gab es in mir etwas für Gott »Liebenswertes«, oder hätte ich ebenso verdammt werden können wie viele andere? Hat er mich nicht grundlos geliebt? (Grundlos in dem Sinne, dass seine Liebe zu mir durch nichts hervorgerufen wurde, was in mir ist?)
Hier sind wir übrigens beim Kern der Frage angelangt, ob die Errettung wirklich und allein aus Gnade ist ...
Mit besten Grüßen
Christian

Re: Vorherwissen, Vorherbestimmung und die anderen Eigenschaften Gottes
von BibleDictionary am 02.08.2015 21:55Liebe Cleopatra,

was Umkehrschlüsse betrifft, sollten wir in nicht wenigen Fällen Vorsicht walten lassen. Aus einer Aussage, die im positiven Sinne die Gläubigen betrifft (»in ihm auserwählt ... vor Grundlegung der Welt«, Eph 1,4), eine negative Schlussfolgerung in Bezug auf die Ungläubigen zu ziehen (bspw. eine »Verwerfung vor Grundlegung der Welt«), ist hermeneutisch unsauber und kann zu schwerwiegenden exegetischen Fehlern führen.
Zunächst sollten wir festhalten, dass Menschen nicht deshalb verlorengehen, weil sie nicht berufen werden, sondern weil sie Sünder sind. Werden Errettung von Sünde und ewiges Leben in der Bibel auf Gottes Gnade und Heilsratschluss zurückgeführt (Eph 2,8f; 2Tim 1,9f), wird – was die Verdammnis betrifft – vom schuldhaften Scheitern der Verlorengehenden ausgegangen (Spr 24,12; Mt 16,27; Offb 20,12ff). Insofern sind Berufung (zum Heil) und Verwerfung (zur Verdammnis) keine gleichwertig einander gegenüberzustellenden Sachverhalte, und insofern kann auch nicht von einer »doppelten Prädestination« gesprochen werden. Die Verlorenen gehen nicht deshalb zugrunde, weil sie nicht berufen werden, sondern der Grund ihrer Verwerfung liegt in ihrer eigenen Schuldhaftigkeit.
So liegt der Heilsratschluss in der Ewigkeit begründet, die Verdammnis hingegen ergab sich in Raum und Zeit und ist die Reaktion Gottes auf die Sünde von Menschen.
Was die Frage betrifft, ob es Menschen gibt, bei denen unsere Fürbitten chancenlos sind, fällt mir ein Vorfall ein, der sich m.W. in Verbindung mit einem Vortrag von John Piper zugetragen haben soll. Piper sprach demnach über die Souveränität Gottes in der Errettung von Menschen, und jemand soll den Einwand gebracht haben, dass – wenn Errettung vollständig in den Händen Gottes liege und er allein entscheide, ob er einen Menschen beruft oder nicht – es völlig sinnlos wäre, für die Errettung von Menschen zu beten. Interessant ist die Antwort, die Piper in Form einer Gegenfrage formuliert haben soll: Wenn es nicht an Gott liegt, ob jemand gerettet wird, sondern sich der Mensch aus eigenem Antrieb für Gott entscheiden muss, macht es erst recht keinen Sinn, für die Errettung von Menschen zu beten, oder? In der Tat: Liegt es am Menschen, ob er gerettet wird, und soll sich da Gott schön raushalten, dann macht es wirklich keinen Sinn, für die Errettung von Menschen zu beten.
Ich glaube, dass es Sinn macht, für Verlorene zu beten, weil Gott viele seiner souveränen Ziele nicht unabhängig von uns durchsetzt, sondern uns in die Verantwortung stellt, uns an dieser Umsetzung zu beteiligen. Beispielsweise ist die Verkündigung des Evangeliums das Mittel, dessen sich Gott bedient, um Menschen zum Glauben an den Erlöser zu führen. Dabei dienen Menschen als Instrumentarium. Ein weiteres Mittel, durch das Gott zum Heil eines Menschen mitwirken kann, ist auch das Gebet. Darum bete ich für Verlorene.
An dieser Stelle möchte ich mich einer kurzen Stellungnahme von Charles C. Ryrie anschließen (Die Bibel verstehen – das Handbuch systematischer Theologie für jedermann, Christliche Verlagsgesellschaft, Dillenburg, 5. Aufl. 2011, S. 357):
Mit besten Grüßen
Christian

Re: Vorherwissen, Vorherbestimmung und die anderen Eigenschaften Gottes
von BibleDictionary am 01.08.2015 13:55So in etwa, ja,

Die "Auserwählung" geschah also "in Christus" – und erst, wenn jemand dort angekommen ist, ist der Begriff "Auserwählter" auf ihn anwendbar. Solange ein Mensch nicht "in Christus" ist, gilt ihm die ("vorzeitliche") "Auserwählung" nicht im effektiven Sinne. Die im Ratschluss Gottes gefasste Auserwählung in Christus muss durch eine persönliche Berufung in Raum und Zeit umgesetzte Realität werden (2Tim 1,9-10):
Daraus wird ersichtlich, warum im NT im Grunde nur von Gläubigen, nicht von (noch) Ungläubigen gesagt wird, dass sie "Auserwählte" sind (Röm 8,33; Kol 3,12; Offb 17,14 u.a.; eine Ausnahme könnte 2Tim 2,10 darstellen).
Wie aus 2Tim 1,9-10 ersichtlich ist, vollzieht sich nicht durch den Ratschluss der Auserwählung in Christus vor Grundlegung der Welt die Rettung, sondern durch die in der Zeit mittels der Verkündigung des Evangeliums geschehende Berufung. Ich werde (durch Berufung) gerettet, um ein in Christus Auserwählter zu werden. Vor diesem Hintergrund versteht man vielleicht auch die Aussage (Mt 20,16; 22,14):
Zu deiner Frage, ob ich meine, dass ein Mensch nur dann zur Erkenntnis Gottes gelangen kann, wenn Gott ihm das (durch Berufung) schenkt: ja, das meine ich. Da kein Mensch aus sich heraus Gott sucht (Röm 3,9-18), muss an ihn ein wirksamer Ruf ergehen, der ihn aus der Finsternis ins Licht stellt und ihn damit befähigt, dem göttlichen Ruf im Glauben zu antworten (wie oben durch 2Tim 1,9-10 dargelegt).
Mit besten Grüßen
Christian

Re: Vorherwissen, Vorherbestimmung und die anderen Eigenschaften Gottes
von BibleDictionary am 31.07.2015 00:59Oh, eine ganz böse Frage – ganz böse ...

Wie ich das sehe, steht eigentlich gar nicht zur Debatte. Viel wichtiger ist die Frage, wie die Heilige Schrift das sieht – und ich hoffe, dass ich es nicht anders sehe als sie.

Die Aussage von Paulus in Röm 2,14 ist natürlich eingebettet in einen größeren Kontext. So weit ich das überblicken kann, geht Paulus von einem hypothetischen Fall aus (einer ansonsten von ihm ausdrücklich verneinten Rechtfertigung durch eigene Werke). Er sagt nämlich in V. 12, dass sowohl die, welche das Gesetz nicht haben (also die Nichtjuden resp. Heiden), als auch die, welche unter dem Gesetz stehen (also die Juden), verurteilt dastehen: die einen, weil sie dem, was sie von Natur aus von Gott erkennen konnten, widerstanden; die anderen, weil sie das Gesetz, das Gott ihnen gegeben hatte, übertraten. Dann fährt Paulus in V. 13 mit der Begründung fort, warum selbst die, welche unter dem Gesetz stehen, verlorengehen, indem er sagt: Vor Gott ist (durch das Gesetz) nur der gerecht, der das Gesetz erfüllt.
Dann erst sagt er:
"Wenn nämlich Heiden, die das Gesetz nicht haben, doch von Natur aus tun, was das Gesetz verlangt, so sind sie, die das Gesetz nicht haben, sich selbst ein Gesetz" (V. 14) –
und da sie dieses "Gesetz", das sie sich selbst aufgrund ihres Gewissens sind, übertreten, sind die Heiden ebenso schuldig wie die Juden.
Paulus stellt die Überlegung in den Raum, dass – weil jeder Mensch, sei er Jude oder Heide, von Gott aus der Schöpfungsordnung einen "inneren Kompass" mitbekommen hat, der ihm bewusst macht, was richtig und was falsch ist (wenngleich dieser "Kompass", das Gewissen, im Zuge des Sündenfalls ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen worden und reichlich ramponiert ist; er reicht aber dennoch aus, um dem Menschen zu signalisieren, dass er schuldig ist, und ihn damit in die Verantwortung für sein Tun und Lassen zu stellen) – der, welcher Gottes Forderungen erfüllt, gerettet werden müsste, denn das AT kennt die Verheißung:
"Darum sollt ihr meine Satzungen und meine Rechtsbestimmungen halten, denn der Mensch, der sie tut, wird durch sie leben. Ich bin der HERR!" (3Mo 18,5).
Paulus greift in Gal 3,11-12 auf exakt diese Aussage zurück, wenn er die Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz kommt (unter der Voraussetzung, dass man es einhält!), der zugerechneten Gerechtigkeit aufgrund des Glaubens an Jesus Christus gegenüberstellt:
"Dass aber durch das Gesetz niemand vor Gott gerechtfertigt wird, ist offenbar; denn 'der Gerechte wird aus Glauben leben'. Das Gesetz aber ist nicht aus Glauben, sondern: 'Der Mensch, der diese Dinge tut, wird durch sie leben'."
Da jedoch niemand das Gesetz gehalten hat (das ist ein wesentliches Thema von Röm 1–3!), kann auch niemand durch das Gesetz Leben bekommen.
Damit ist für Paulus klar: Alle Menschen, ob Juden oder Heiden, sind aufgrund des Gesetzes vom Sinai oder aufgrund des Gewissens in die Verantwortung gestellt, dem Gesetz oder dem Gewissen entsprechend zu folgen. Da der Jude am Gesetz und der Heide am Gewissen gescheitert ist, sind alle Menschen schuldig und darum verdammt. Das ist im Wesentlichen die gesamte Argumentationskette von Paulus in Kap. 1 und 2 des Römerbriefes.
Dass der Mensch letztlich eine Marionette sei, wenn er in seiner Freiheit, sich für Gott entscheiden, so sehr auf Gott angewiesen ist, ist natürlich der wohl älteste – und menschlich durchaus nachvollziehbare – Einwand gegen die in meinen obigen Beiträgen genannten Darstellungen. Ich würde sagen: Nein, der Mensch ist dadurch keine Marionette, weil die Marionette im Gegensatz zum Menschen über keinen eigenen Willen verfügt. Sie wird – völlig unabhängig von einem eigenen Willen – gewissermaßen zu dem "gezwungen", was sie tut, bzw. sie tut ja überhaupt gar nichts, sondern allein der, welcher sie in den Händen hält, tut durch sie etwas.
Bei der Freisetzung eines bislang der Sünde versklavten Menschen ist es völlig anders:
Er hatte bereits einen eigenen (sündigen) Willen, den Gott zwar zugelassen, aber ihm nicht die Richtung gewiesen hat. Gott hat die sündigen Entscheidungen und Taten jenes Menschen nicht selbst verursacht (das wäre der Fall, wenn der Mensch eine Marionette wäre), sondern hat den Menschen einfach seinen eigenen sündhaften Trieben überlassen. Wenn überhaupt, dann war der besagte Mensch eine Marionette seiner selbst und seines verdorbenen Wesens.
Wenn nun Gott den Verstand dieses Menschen erleuchtet und ihn im Licht seines heiligen Wesens die Abscheulichkeit der Sünde erkennen lässt (dem bislang unerretteten Menschen also seine göttliche Sicht der Dinge gibt), dann wendet sich der Mensch von der ihn zerstörenden Sünde ab und Christus zu, bei dem er Vergebung und Erneuerung zu einem Leben aus der Gemeinschaft mit Gott empfängt. Dieser Mensch ist aus der Gottesferne in die Gottesgemeinschaft gekommen. Sein Verstand wurde erleuchtet und sein Wille dadurch Gott zugeneigt. Es ist nun immer noch sein eigener Wille, er ist nach wie vor keine Marionette; doch nun entspricht dieser Wille einer Kompassnadel, die wieder Richtung "Norden" zeigt. Der Mensch ist nun befreit, Gottes Willen zu erkennen, zu suchen und zu tun. Dahinter steckt kein Zwang (wie bei einer Marionette), denn ein Zwang würde bedeuten, dass der Mensch gegen seinen eigenen Willen zum richtigen Handeln gebracht wird. Hier jedoch ist der Wille des Menschen mit Gottes Willen in Übereinstimmung gekommen, sodass der Mensch nun willig ist, das zu tun, was Gott gutheißt. Gott befiehlt, und der Gläubige folgt aus willigem Antrieb. Gezwungen wäre er, wenn er gegen seinen eigenen Willen nicht anders könnte, als Gottes Befehlen zu gehorchen.
Um noch einmal auf Röm 9,19 zurückzukommen: Es ist interessant, wie Paulus mit dem dort genannten Einwand ("Nun wirst du mich fragen: Warum tadelt er dann noch? Denn wer kann seinem Willen widerstehen?") umgeht. Er sagt nicht etwa: "Oh, das ist ein großes Missverständnis! Eigentlich habe ich das gar nicht so gemeint, wie ihr es verstanden habt!", sondern er stellt einfach eine Gegenfrage:
"Ja, o Mensch, wer bist denn du, dass du mit Gott rechten willst? Spricht auch das Gebilde zu dem, der es geformt hat: Warum hast du mich so gemacht? Oder hat nicht der Töpfer Macht über den Ton, aus derselben Masse das eine Gefäß zur Ehre, das andere zur Unehre zu machen?" (V. 20-21).
Der Einwand ist ja, dass – wenn selbst diejenigen, die gegen Gott sind, von Gott zur Erreichung bestimmter Ziele gebraucht werden (z.B. Pharao) – sie im Endeffekt ihm ja sogar dienen; warum also sollte er sie verdammen? Paulus geht einen Schritt weiter und fragt: Hat Gott nicht das Recht, nach seinem eigenen Ermessen einen Menschen zu verdammen? Immerhin lehrte Paulus in den vorausgegangenen Kapiteln, ganz besonders aber in Röm 1–2, die persönliche Verantwortung jedes Menschen aufgrund dessen, was er von Gott weiß, sei er Jude oder Heide. Wer ihn böswillig ablehnt – und jeder hat das getan –, verdient nun einmal die Verdammnis, mag er Gott auch sonst in irgendeiner Form dienlich gewesen sein. Nur weil Gott das böse Tun eines Menschen in seinem Plan so einkalkuliert, dass selbst durch das Böse eines Menschen noch Gottes Vorsätze zustande kommen, gibt das dem Menschen selber noch lange nicht das Recht, böse zu sein und Gottes Gebote zu übertreten. Aufgrund dieser Böswilligkeit seitens des Menschen hat Gott das Recht, einen Menschen nach eigenem Ermessen zu richten. Er ist nicht verpflichtet, irgendjemanden zu erretten. So weit Paulus.
Mit besten Grüßen
Christian